Speer-Gold: Molitor mit letztem Wurf auf den WM-Thron
Peking (dpa) - Als der Speer noch zitternd im Rasen steckte und plötzlich die ersten Gratulanten auf sie zustürmten, da hatte es Katharina Molitor noch immer nicht ganz geschnallt. 67,69 Meter im allerletzten Versuch eines irren WM-Finales - mit 31 Jahren landet sie den größten Coup ihrer Karriere.
Auch ihr erfahrener Trainer Helge Zöllkau war baff. „Gold im letzten Versuch - das ist der Hammer!“, sagte er am Sonntag in den Katakomben des Pekinger Nationalstadions. So richtig hatte er den Titel nicht auf dem Zettel: „Ich hatte damit gerechnet, dass es Bronze wird.“
Doch Gold war Katharina Molitor natürlich auch recht. „Ich habe vorher vielleicht von einer Medaille geträumt. Aber das es nun geklappt hat, das ist unglaublich“, meinte sie völlig verdattert. Für die deutsche Meisterin wurde es noch ein langer Abend: TV-Interviews, dann schnell zu den Reportern in die Mixed Zone, Siegerehrung, Pressekonferenz, die Dopingkontrolle. Und immer wieder Hände schütteln. Die dritte deutsche Speerwurf-Weltmeisterin krönte den sehr guten Auftritt des DLV-Teams bei der Leichtathletik-WM in China.
Als erste Gratulantin kam an diesem Abend im „Vogelnest“ Christina Obergföll auf sie zu: die alte Weltmeisterin umarmte die neue. Eine schöne und faire Geste, zumal die Titelverteidigerin aus Offenburg, als Vierte diesmal leer ausging. „Ich glaube, die Katharina muss das erst mal verdauen“, sagte Obergföll im ZDF.
Mit ihrer Jahresweltbestweite übertrumpfte Molitor noch die Chinesin Huihui Lyu (66,13), die von den 55 000 Zuschauern schon als Siegerin gefeiert worden war. Bronze ging an die Südafrikanerin Sunette Viljoen (65,79). Christin Hussong vom LAZ Zweibrücken - mit 21 die mit Abstand Jüngste im Finale - wurde bei ihrem WM-Debüt Sechste, Ex-Europameisterin Linda Stahl enttäuschte als Zehnte.
„Ich habe ihr vor dem letzten Wurf gesagt: Lass die Schulter locker“, berichtete Zöllkau. „Und das hat sie prima gemacht. Bloß habe ich die Weite zunächst gar nicht mitbekommen.“ Das Glück war danach umso größer. Der Trainer hatte vor fünf Jahren auch schon Linda Stahl zum EM-Titel geführt. „Linda und Katharina habe ich von der Jugend an trainiert. Das macht mich schon stolz, dass sie jetzt beide in der Weltspitze sind.“ Nach jedem Durchgang gab er Molitor Tipps - der letzte Hinweis war wohl der entscheidende, der Wurf noch nicht einmal optimal: „Zu meckern gibt's immer was.“
Für Molitor war es nicht nur der erste internationale Titel, sondern auch die erste Medaille auf großer Bühne. Sie ist damit die dritte deutsche Weltmeisterin in dieser Disziplin nach ihrer Clubkollegin Steffi Nerius (2009 in Berlin) und Obergföll (2013 in Moskau). Die vielseitig begabte Sportlerin spielt auch Volleyball für Bayer Leverkusen in der zweiten Bundesliga. „In der nächsten Saison bin ich wieder dabei“, sagte sie im Sonntag.
Obergföll will ihre Karriere mit 35 nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro beenden. „Das ist der Plan“, sagte die Olympia-Zweite von 2012 in Peking. Sie hatte vor der WM immer wieder betont, dass nach ihrer letztjährigen Auszeit eine Medaille „vermessen“ wäre.