Trainer Hakus in Katar: „Man muss seinen Traum leben“
Doha (dpa) - Ein Leichtathletik-Olympiasieger aus Katar? Für Uwe Hakus ist das kein Märchen aus 1001 Nacht. Der Berliner ist schließlich in Doha, damit Träume wahr werden. Damit aus kleinen Sportlern große Sieger werden.
Die Zeit ist reif.
„Man muss seinen Traum leben, um etwas zu verändern“, sagt Hakus. Und: „Wenn man diese Leidenschaft nicht hat, dann hat man hier nichts zu suchen.“ Hakus ist Realist und kein Träumer, aber diese Leidenschaft, die hat er. Seit fünf Jahren ist der frühere Leichtathletik-Bundestrainer nun schon als Entwicklungshelfer in Katar. Als Chefcoach an der weltbekannten „Aspire Academy“ hat er sich einen guten Namen gemacht, die Katarer würden ihn am liebsten für immer behalten. „Wir haben die Leichtathletik in Katar in Schwung gebracht“, sagt der 47-Jährige in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa im Aspire Dome, der modernsten Multifunktions-Sporthalle der Welt.
Ein bisschen stolz kann der ehemalige Leichtathlet, der von 1984 bis 1988 an der Leipziger DHfK studiert hat, schon auf seine Arbeit im öl-reichen Wüsten-Emirat sein. „Aspire“ macht die Meister von morgen - und Hakus mischt mit. „Ich bin hierhergekommen, um etwas aufzubauen. Ich werde hier kein Millionär, Geld spielte nicht die Rolle“, versichert der Nachwuchs-Cheftrainer des nationalen Leichtathletik-Verbandes QAAF.
„Aspire und der QAAF zollen mir Respekt, sie vertrauen mir. Und sie sind bis jetzt wohl auch nicht enttäuscht worden. Sie haben gerade die Zusammenarbeit mit mir einseitig einfach unbefristet verlängert“, erzählt der Trainer, der jedes Jahr junge Talente aus Katar zu Weltmeisterschaften führen konnte. Unter seiner Verantwortung waren es allein zwischen 2007 und 2010 insgesamt 24 Nachwuchs-Athleten.
Derzeit betreut Chefcoach Hakus in dem hochmodernen Sport- und Trainingszentrum in Katars Hauptstadt 52 Leichtathleten im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. „Wir bereiten diese Talente im Nachwuchs- Pool für die Nationalmannschaft vor“, berichtet er. Erfolge können der Deutsche und sein internationaler Trainerstab längst vorweisen. „Wir hatten jedes Jahr Kataris bei Jugend- oder Junioren- Weltmeisterschaften am Start.“
Und im Juli 2010 auch den ersten Junioren-Weltmeister: Im kanadischen Moncton erobert Mutaz Barshim Hochsprung-Gold, bei 2,30 Meter kann kein Konkurrent mehr mithalten. „Das ist ein historischer Tag für Aspire, Katar und den QAAF“, hatte Aspire-Sportdirektor Wayde Clews gesagt. Und damit auch Hakus & Kollegen gelobt. „Aspire ist außerordentlich stolz, zur Entwicklung von Mutaz Barshim beigetragen zu haben.“
Die Sportoffensive in dem Wüsten-Emirat am Persischen Golf ist Teil der „Qatar Vision 2030“. Ein ehrgeiziges Zukunftsprojekt. „Die Emir-Familie ist sehr sportbegeistert“, erklärt Hakus. Und Katar eines der reichsten Länder der Welt. Viele Millionen fließen in den Sport, seit einigen Jahren verstärkt auch in den Freizeit-Bereich und in den Schulsport. „Es gibt Sichtungswettkämpfe auf drei Stufen: Erster Test, Silver Camp, Gold Camp“, sagt der Cheftrainer. „Leistung entscheidet. Nur die besten kommen zur Aspire Academy. Und du musst Katari sein.“
Hakus will die Youngster zu Champions machen. „Das kann man nicht kaufen, das muss sich entwickeln“, meint er. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass sich der sportbegeisterte Emir Stars mit Petro-Dollars geködert hat. Der bekannteste Fall von gelungener wie umstrittener Abwerbung liegt acht Jahre zurück: Der einstige kenianische Weltklasseläufer Stephen Cherono wechselt 2003 an den Golf.
Als Saif Saeed Shaheen wird er noch im gleichen Jahr in Paris Weltmeister über 3000 Meter Hindernis - die erste Goldmedaille für den erst seit 1971 unabhängigen Staat bei einem internationalen Sportereignis. 2004 rennt Cherono-Shaheen Weltrekord, der bis dato allen Angriffen stand gehalten hat. Im Jahr darauf verteidigt er seinen WM-Titel in Helsinki.
Sechs Katarer haben es ins diesjährige Jahrbuch des Leichtathletik- Weltverbandes IAAF geschafft - nicht einer von ihnen ist in Katar geboren. Mohamed Suleiman holt 1992 in Barcelona Bronze über 1500 Meter - die erste olympische Medaille für Katar überhaupt. Suleiman ist in Somalia geboren, startet aber schon seit der Jugend für Katar.
Hakus will Talente nicht kaufen, er will sie finden, trainieren - und zu Champions machen. Und das ohne Wenn und Aber. „Meine Jungs kriegen eine klare Ansage: Bei mir sind Engagement und Zurückhaltung gefragt. Respektlosigkeit ist das größte Sakrileg“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Kindern: Aileen (21) studiert schon, Felix (22) beginnt sein Nautik-Studium im September. Hakus' Frau arbeitet als Konrektorin an einer Schule in Berlin-Reinickendorf. So oft wie möglich sieht sich die Familie.
Katar ist nur halb so groß wie Hessen und hat 1,7 Millionen Einwohner - davon sind rund 250 000 Katarer. „Wir haben 6000 Sporttalente, die in die Auswahl kommen“, erklärt Hakus. Jeder hat eine Chance: „Die Tür ist nie zu.“
Die Arbeit in seiner Wahlheimat macht Hakus „riesig Spaß“, ob als harter Trainer oder einfühlsamer Pädagoge. „Ich habe meine Jungs mal gefragt und gemerkt: Viele haben noch keine Träume. Talentpflege heißt: Visionen zu vermitteln.“ Dann denkt Hakus nach, der Blick senkt sich kurz, er spricht leiser weiter: „Meine Vision war, Olympiasieger zu werden. Hat leider nicht geklappt...“ Den größten Traum müssen nun „seine“ Jungs wahr machen.