Vor 25 Jahre raste Ben Johnson in den Abgrund
Düsseldorf (dpa) - 68 Stunden fühlte sich Ben Johnson in Sicherheit, bis der Doping-Sündenfall aufflog und die Sportwelt in einen Schockzustand versetzte.
Am 24. September 1988 hatte er nach seinem Olympiasieg in Seoul in Weltrekordzeit von 9,79 Sekunden den rechte Arm in den Himmel gereckt und triumphierend den Blick auf seinen US-Erzrivalen Carl Lewis gerichtet. Knapp drei Tage später flüchtet er mit gesenktem Kopf, unter Polizeischutz zum Flughafen und außer Landes. Zwei Deutsche hatten den „König der Spiele“ gestürzt: Manfred Donike und Wilhelm Schänzer.
Der ehemalige und der heutige Leiter des Doping-Analyselabors in Köln hatten ein Verfahren entwickelt, mit dem Johnson die Einnahme des anabolen Steroids Stanozolol nachgewiesen werden konnte. „Das war eine Pioniertat“, erklärte Mario Thevis, Leiter des Zentrums für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Der Jahrhundert-Skandal um den muskelbepackten Kanadier galt als Wende im bis dato nicht so ernst genommenen Antidoping-Kampf.
„Man muss sich bei keinem Betrüger bedanken, aber unfreiwillig hat sich Ben Johnson Verdienste um die Doping-Bekämpfung erworben“, meinte der deutsche Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop. In einem geschichtlichen Abriss der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist der Johnson-Fall ebenso ein Meilenstein, „der die Aufmerksamkeit der Welt in beispielloser Weise auf das Doping-Problem gerichtet“ habe. Effektivere Testmethoden führten, so die WADA, von den 1990er Jahren an zu „einem bemerkenswerten Rückgang von Topergebnissen“ in einigen Sportarten. „Der Fall dürfte der Anti-Doping-Bewegung einen Schub gegeben haben, man hat erkannt, dass es Handlungsbedarf gab, obwohl man es vorher schon vermutet hatte“, sagte Thevis.
„Das war nur die Überführung eines Dopers auf einer höheren Stufe“, entgegnet der Doping-Experte Werner Franke - und kein Wendepunkt. Gedopt werde nach wie vor auf Teufel komm' raus, nur die Methoden sind verbessert, die illegalen Stoffe raffinierter und die Dosierungen in puncto Nachweisbarkeit verfeinert worden.
Außerdem sei Ben Johnson nur einer von vielen Sportlern bei den Seoul-Spielen gewesen, die wie der gefallene Sprinter mit Stanozolol betrogen hätten - dazu haben nach Wissen Frankes auch Athleten aus Deutschland gehört. „Die Deutschen haben das selbe Zeug genommen, in verschiedenen Sportarten, auch in der Leichtathletik“, sagte Franke und fügte drastisch hinzu: „Die gemeinen Germanen sollten verschämt die Schnauze halten und sich nicht über den Ben Johnson ereifern.“
Was ist seit dem Johnson-Skandal passiert? Die Doping-Kontrollen wurden global wesentlich erhöht und auf das Training ausgeweitet, die Analyseverfahren sind exakter geworden und können nun auch Blut- und Hormondoping oder Insulin-Missbrauch nachweisen. Zudem werden Proben von Sportgroßereignissen eingefroren, um sie nachträglich auf Basis besserer Nachweismethoden noch einmal zu untersuchen.
Es ist aber nach wie vor ein Wettlauf zwischen Hase und Igel geblieben und die Doping-Mentalität ist ungebrochen. Fast 40 russische und mehr als 30 türkische Sportler wurden allein in den vergangenen Monaten aus dem Verkehr gezogen und sind ein Beleg dafür.
Unter Generalverdacht steht seit Ben Johnson der Sprint - zu Recht! Die lange Reihe der entlarvten rasenden Doper beweist dies. Die Fälle der Deutschen Katrin Krabbe, des Briten Linford Christie, Justin Gatlin (USA) und des jüngst überführten Asafa Powell (Jamaika) und Tyson Gay (USA) sind nur die Spitze des Eisbergs.
Geblieben ist im Übrigen bei vielen Dopern seit Ben Johnson die ungebrochene Vorliebe für Anabolika. „Anabolika ist immer noch die am häufigsten gefundene Substanz“, erklärte Thevis. Und das man aus Schaden nicht unbedingt klug wird, dafür steht ebenfalls der heute 51-jährige Johnson: Nach seinem Comeback wurde er 1993 erneut positiv getestet und als Wiederholungstäter lebenslang gesperrt.