Interview Matthäus legt nach: Bei mir war der Druck noch größer
Der Rekordnationalspieler hatte Per Mertesacker kritisiert — und dafür selbst Kritik einstecken müssen. Im Interview erklärt er seine Position.
Herr Matthäus, Ex-Nationalspieler Per Mertesacker hat über den schwer erträglichen Druck im Profifußball gesprochen. Für Ihre Kritik daran haben Sie einstecken müssen. Verstehen Sie das?
Lothar Matthäus: Ich habe Per Mertesacker nicht angegriffen, ich habe gesagt, dass ich seine Aussagen aus meiner persönlichen Erfahrung nicht nachvollziehen kann. Ich verstehe natürlich, dass jeder mit Druck unterschiedlich umgeht, aber wenn ich 2006 Druck spüre, dann zeige ich Größe, wenn ich das auch 2006 kommuniziere. Nicht erst 2018, wenn die Karriere vorbei ist.
Sie gehen mit Drucksituationen anders um?
Matthäus: Wenn ich ein Problem habe, dann rede ich über das Problem. Per Mertesacker hat nach 2006 noch vier oder fünf Verträge im Profifußball unterschrieben. Das ist das, was ich nicht verstehe. Ich denke generell, dass man im Leben Probleme so schnell wie möglich lösen sollte. Ich weiß ja auch nicht, ob er was unternommen hat. Per Mertesacker hat auf mich immer einen sehr charakterstarken Eindruck gemacht. Aber ich maße mir kein Urteil über seinen Seelenzustand an.
Sich Hilfe zu holen, etwa von einem Psychologen — wäre ihm das nicht als Schwäche ausgelegt worden?
Matthäus: Das ist doch keine Schwäche. Das ist Stärke. Ich verstehe nur nicht, wenn er im Nachhinein sagt, dass er bei der WM 2006 eigentlich gar nicht spielen wollte, weil der Druck ihm zu groß war. Druck gehört im Profifußball dazu. Das ist Teil des Systems. Ein anderer hätte sich gefreut, wenn er gespielt hätte. Und das ist doch unser Glück, dass wir unser Hobby zum Beruf gemacht haben und das auch schöne Seiten mit sich gebracht hat.
Aber Sie hatten doch auch Druck.
Matthäus: In meiner aktiven Karriere habe ich nur Spaß gehabt am Fußball. Ich war nur glücklich, auf dem Platz zu stehen. Da spreche ich ausschließlich für mich. Für andere kann ich nicht sprechen. Ich habe gesagt, dass es für mich das Schlimmste war, was für ihn (Per Mertesacker, d. Red.) eine Auszeit war: eine Verletzung. Damit kritisiere ich aber nicht Per Mertesacker. Ich hatte immer mehr Druck, wenn ich verletzt war. Wenn du verletzt bist, dann musst du ja mit einer Situation umgehen, die du lieber vermeiden willst.
Drucksituationen und Beschwerden wie Brechreiz und Durchfall wie bei Mertesacker kennen Sie nicht?
Matthäus: Ich glaube, gerade wo ich gespielt habe, in den Mannschaften, in denen ich gespielt habe, auf den Positionen, auf denen ich gespielt habe, da war der Druck noch größer. Wenn wir mit Bayern München verloren haben, dann hat nicht irgendwer eine auf die Schnauze bekommen, sondern ich. Da musst du einfach stark genug sein, vom Charakter da dagegenzuhalten.