„Auf Attacke“: Vettel will Kanada-Coup
Montreal (dpa) - Auf seinem schier unaufhaltsamen Siegeszug durch die Vollgas-Welt will Sebastian Vettel endlich auch den letzten Formel-1-Kontinent erobern. Nach Erfolgen in Europa, Asien, Australien und Südamerika plant der Champion beim Großen Preis von Kanada seinen ersten Nordamerika-Coup.
„Es ist immer großartig zu gewinnen“, nennt der Red-Bull-Star seine Maxime, die sich auch nach fünf Siegen in den ersten sechs Saisonrennen nicht geändert hat. Mit Sieg Nummer sechs könnte Vettel die Start-Bestmarken von Jim Clark, Michael Schumacher und Jenson Button einstellen und seine Jäger endgültig in die Verzweiflung treiben.
Kann den 23-Jährigen aus Heppenheim überhaupt noch jemand auf dem Weg zur Titelverteidigung stoppen? „Wenn alles normal läuft, dann eher nicht“, meint zumindest Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Zwischenstopp auf der Île Notre-Dame von Montreal. Vize-Weltmeister Fernando Alonso klammert sich an die Mathematik. „Wir müssen drei Rennen gewinnen und die dürfen nicht punkten, so einfach ist das“, sagt der spanische Ferrari-Pilot.
Doch den Gefallen wollen Vettel und sein Team den fast schon abgehängten Verfolgern nicht tun. „Wir sind bereit dazu, auf Attacke zu fahren und unsere Chance zu suchen. Die Meisterschaft dauert noch lange“, erklärt der WM-Führende. Im Vorjahr war er auf dem Circuit Gilles Villeneuve beim Reifenpoker vom McLaren-Duo Lewis Hamilton und Jenson Button abgezockt worden. „Wir können nichts als selbstverständlich nehmen, die Dinge können sich ganz schnell ändern“, urteilt daher auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Bislang wartete die Konkurrenz vergeblich auf grobe Schnitzer des Weltmeisters, nachdem Vettel und Red Bull 2010 den Titel durch Pannen und Patzer fast verspielt hätten. Stattdessen verlor der WM-Zweite Hamilton zuletzt in Monaco die Nerven, wurde als Rennstrecken-Rüpel nur Sechster und hat bereits 58 Punkte Rückstand auf den Deutschen (143 Punkte). Vettels Teamgefährte Mark Webber (79 Zähler), Button (76) und Alonso (69) liegen noch weiter dahinter.
„Das Problem ist, dass wir an den letzten beiden Wochenenden das schnellste Auto hatten, aber die Ergebnisse nicht einfahren konnten“, klagt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Sein Ferrari-Kollege Stefano Domenicali greift indes zur Durchhalteparole. „Wir müssen weiter dran glauben. Wenn man konzentriert bleibt und den Druck erhöht, dann werden wir schon sehen“, sagt der Italiener.
Abseits des Titelrennens kämpft Mercedes nach wie vor um den Anschluss. Nach der Nullnummer von Monte Carlo sind der siebenmalige Kanada-Sieger Schumacher und Teamgefährte Nico Rosberg mehr denn je in Zugzwang. „Wir haben wie immer unsere Lektionen gelernt und sind bereit, in Kanada wieder alles zu geben“, verspricht Rekordchampion Schumacher. Der 42-Jährige ist derzeit WM-Elfter, 129 Punkte hinter Vettel. Rosberg steht als Siebter mit 117 Zählern Rückstand kaum besser da.
Zweitbester Deutscher ist stattdessen Lotus-Renault-Fahrer Nick Heidfeld. Dennoch musste sich der WM-Sechste zuletzt Kritik von Teamchef Eric Boullier gefallen lassen. „Gut, aber noch nicht gut genug“, bewertet der Franzose die Leistungen des Mönchengladbachers vor dem Rennen am Sonntag.
Mit auf die Übersee-Reise nimmt die Formel 1 mal wieder eine unliebsame Debatte. Die Neuansetzung des wegen der blutigen Unruhen im Februar abgesagten Bahrain-Rennens verärgert die Teams und besorgt so manchen Fahrer. Nach einer Welle der Kritik wollen Chefvermarkter Ecclestone und die Teamvereinigung FOTA nun eine erneute Verlegung. Die Diskussion über den heiklen Weltrats-Beschluss vom vergangenen Freitag könnte in Montreal weiter Fahrt aufnehmen.