Entsetzen nach tödlichem Unfall von Simoncelli

Sepang (dpa) - Die Rennfahrer-Kollegen verkrochen sich geschockt in die eigene Box, auf dem Sepang International Circuit herrschte lähmendes Entsetzen. Der ehemalige Motorrad-Weltmeister Marco Simoncelli ist tot.

Der Italiener starb am Sonntag noch an der Strecke, nachdem er beim MotoGP-Lauf in Malaysia in der zweiten Runde gestürzt und von Colin Edwards (USA) und Valentino Rossi (Italien) überrollt worden war. Nur Stunden vor der Trauerfeier für den eine Woche zuvor tödlich verunglückten Indycar-Piloten Dan Wheldon wurde der Motorsport damit erneut von einer Schreckensnachricht erschüttert. Simoncelli wurde 24 Jahre alt.

„Das ist alles traurig, ich weiß nicht, was ich sagen soll“, meinte der deutsche Top-Pilot Stefan Bradl. „Ich fühle mich wirklich schlecht. Auf der Strecke sind wir alle Brüder“, sagte Ex-Weltmeister Nicky Hayden (USA). „Als ich die Bilder gesehen habe, ist mir schlecht geworden“, meinte der bereits als MotoGP-Weltmeister feststehende Australier Casey Stoner.

Auch in Simoncellis Heimat reagierten Motorsport-Verantwortliche mit großer Bestürzung. „Es ist schwer, den Schmerz über den Verlust solch eines fröhlichen Menschen in Worte zu fassen“, sagte Ferraris Formel-1-Teamchef Stefano Domenicali in einer Mitteilung. „Er war ein außergewöhnlicher Junge, allen sympathisch und ein großartiger Pilot. Er wird in den Herzen aller bleiben“, meinte der Ersatzfahrer der Scuderia, Giancarlo Fisichella. „Das ist einer meiner schlimmsten Tage“, sagte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Italien, Gianni Petrucci.

Es war der erste Todesfall auf der Strecke in Malaysia, wo auch die Formel 1 fährt. In der Motorrad-WM war zuletzt der Japaner Shoya Tomizawa in der Moto2 beim Großen Preis von San Marino im September vergangenen Jahres tödlich verunglückt. In der MotoGP war 2003 beim Rennen in Japan Daijiro Kato ums Leben gekommen.

Simoncelli, als Paradiesvogel der Szene bekannt, hatte bei seinem Unfall keine Chance. „Durch den Sturz während des Rennens, in dem er von anderen Fahrern getroffen wurde, erlitt er ein sehr ernstes Trauma am Kopf, am Nacken und an der Brust. Als unser medizinisches Personal bei ihm ankam, war er bewusstlos“, erklärte Oberarzt Michele Macchiagodena bei einer Pressekonferenz.

Im Krankenwagen habe Simoncelli einen Herzstillstand gehabt. Trotz sofort eingeleiteter Erstversorgung im Medical Center starb der Rennfahrer um 16.56 Uhr Ortszeit an seinen schweren Verletzungen. Unmittelbar nach seinem Tod erschien auf seiner Homepage ein Foto des Rennfahrers mit der Bild-Unterschrift „Ciao Super Sic“. Das Intact-Racing-Team von Sandro Cortese erklärte in einer Pressemitteilung: „An diesem traurigen Tag haben der Motorradsport und die MotoGP-Welt eine einmalige Persönlichkeit und einen großartigen Rennfahrer verloren.“ Simoncelli war in Kurve elf mit seiner Maschine weggerutscht. Edwards, der sich bei dem Unfall die Schulter ausrenkte, und der mit Simoncelli befreundete Superstar Rossi konnten nicht mehr ausweichen. Den Zuschauern boten sich schreckliche Bilder von umherfliegenden Teilen, der Helm des Piloten wurde abgerissen. Simoncelli blieb auf der Strecke liegen. Hilf- und fassungslos musste seine Freundin in der Box das grausame Geschehen mitansehen.

Der tödliche Unfall ereignete sich ausgerechnet auf dem Kurs, auf dem Simoncelli 2008 seinen WM-Titel in der 250er Klasse gefeiert hatte. Unmittelbar nach der Todesnachricht brachen Rivalen, Teammitglieder und Zuschauer in Tränen aus. Das Rennen wurde nicht fortgesetzt und wird nicht nachgeholt. Bei allen Veranstaltungen im italienischen Sport wurde am Sonntag eine Schweigeminute eingelegt.

Sein Lockenkopf war das Markenzeichen des in Cattolica geborenen Rennfahrers. Mit sieben Jahren sammelte Simoncelli erste Erfahrungen auf einem Pocket Bike. „Super Sic“, wie der 1,83 Meter große Fahrer gerufen wurde, galt als aggressiver Pilot. Oftmals grenzte seine Fahrweise an übertriebene Risikofreude und löste bei manchen Rivalen Unmut aus. 2002 fuhr Simoncelli in Tschechien seinen ersten Grand Prix. Im selben Jahr war er Europameister der 125-Kubikzentimeter-Klasse geworden.

Nach dem WM-Titel 2008 gelang ihm ein Jahr später noch ein dritter Gesamtrang im Viertelliter-Limit. Danach stieg er in die Königsklasse MotoGP um. Simoncelli wurde als möglicher Thronfolger von Motorrad-Ikone Rossi gehandelt. In dieser Saison bestätigte er die Erwartungen: Zwei Podestplätze und zwei Pole Positionen auf der eher unterlegenen Gresini-Honda untermauerten das Talent des so lebensfrohen Fahrers.