Fahrer-Aktion für Bianchi - „Wir fahren auch für ihn“
Sotschi (dpa) - Die noch immer spürbar erschütterten Formel-1-Piloten wollen die Premiere in Russland ihrem ums Leben kämpfenden Kollegen Jules Bianchi widmen.
Die Fahrer schlossen selbst ein geschlossenes Cockpit als zukünftige Maßnahme nach dem schrecklichen Bianchi-Unfall mit schweren Kopfverletzungen nicht mehr kategorisch aus. Kurzfristig will die Fahrergewerkschaft GPDA an diesem Freitag bei ihrer Sitzung weitere Maßnahme beraten, um die Sicherheit in der Königsklasse des Motorsports weiter zu erhöhen.
Als erstes Zeichen der großen Anteilnahme starten die Piloten beim ersten Rennen im Olympiapark von Sotschi unter anderem mit Aufklebern mit der Nummer 17 des Franzosen und den Worten: „Alle sind bei Jules“. „Wir fahren auch für ihn“, betonte der zweimalige Weltmeister Fernando Alonso am Donnerstag mit belegter Stimme auf der offiziellen Pressekonferenz zum 16. Saisonrennen.
Ob der Spanier, ob Sebastian Vettel oder dessen deutscher Landsmann Adrian Sutil, der auch noch Augenzeuge des Unfalls in Suzuka gewesen war, oder Felipe Massa - allen saß auch vier Tage später der Schock noch tief in den Knochen. „Es war eine wirkliche Katastrophe“, sagte Vierfach-Champion Vettel und sprach von einem „kleinen Schatten“, der nun auf der nicht unumstrittenen Premiere in Russland liege.
„Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden“, sagte Sutil. „Wir versuchen, professionell genug zu sein. Es berührt aber jeden“, meinte der Gräfelfinger. Er war in Suzuka an derselben Stelle eine Runde vor Bianchi abgekommen.
Der Marussia-Pilot war anschließend in den Bergungskran gekracht. Er kämpft mit schweren Kopfverletzungen im Krankenhaus von Yokkaichi weiter ums Überleben. An seiner Stelle stand auf der offiziellen Teilnehmerliste in Sotschi nun der Amerikaner Alexander Rossi. Eine endgültige Bestätigung durch das Team, dass es auch mit zwei Autos antritt, gab es aber zunächst nicht.
Denn allen war kaum nach Rennfahren zumute. „Es war das schlimmste Rennen in meinem Leben. Schlimmer als das Rennen mit meinem eigenen Unfall“, erinnerte sich Massa. Der Brasilianer war 2009 in Ungarn im Ferrari verunglückt, als ihm bei voller Fahrt eine Metallfeder an den Helm gesprungen war. Schon damals entwickelte sich eine Diskussion über geschlossene Cockpits.
„Wir sind in 2014. Warum sollte man nicht darüber nachdenken? Alle schlimmen Unfälle im Motorsport führten in der jüngsten Vergangenheit zu Kopfverletzungen“, sagte Alonso nun in Sotschi. Vettel betonte, dass er diesbezüglich „gemischte Gefühle“ habe. Das offene Cockpit sei eines der besonderen Merkmale der Formel 1. „Es gibt aber auch genügend Gründe, sich mit dem geschlossenen Cockpit in der Zukunft zu beschäftigen“, sagte der 27 Jahre alte Red-Bull-Pilot.
Ein geschlossenes Cockpit dürfte auch Thema bei der Sitzung der GPDA sein. „Wir müssen dort unsere nächsten Schritte bereden, wie wir den Sport unterstützen können, damit er noch sicherer wird“, sagte der aktuelle WM-Zweite Nico Rosberg von Mercedes. Welche Möglichkeiten genau besprochen werden sollen, sagte Rosberg nicht. Man wolle aber auch noch ein Zeichen setzen für „Jules und dessen Familie“, kündigte Rosberg an.
Die Konzentration auf ihre große Leidenschaft fiel allen schwer. Auch Rosberg. Er muss zehn Punkte Rückstand auf WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im zweiten Silberpfeil aufholen. Bei einem Sieg einer der beiden Silberpfeil-Fahrer stünde Mercedes zudem als Konstrukteursweltmeister vorzeitig fest. Red Bull könnte den Rückstand nicht mehr wettmachen bei drei noch ausstehenden Rennen, selbst mit doppelter Punktzahl beim Finale in Abu Dhabi. Aber auch bei Mercedes gab es wie im gesamten Fahrerlager nur einen Wunsch: ermutigende Nachrichten aus Japan.