Formel 1 zu Gast bei den Glitzerfassaden von Baku
Baku (dpa) - Freie Fahrt für die Formel-1-Premiere in Baku: Nichts soll die Königsklasse des Motorsports in Aserbaidschans Hauptstadt stören. Beim bisher wichtigsten Sportereignis seiner Geschichte wurden in dem islamisch geprägten Land am Kaspischen Meer massive Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Kompromisslos lässt die autoritäre Regierung Teile der Altstadt abriegeln, die als Weltkulturerbe von der Unesco geschützt ist. Sicherheitskräfte versperren vor dem Grand-Prix-Wochenende resolut viele Wege in der Zwei-Millionen-Metropole. Und auf dem Dach der aus Bayern stammenden Polizeiwagen leuchtet grelles Dauerblaulicht.
Laut Vertrag soll das Spektakel zehn Jahre lang in Baku Station machen. Für die Führung um Staatschef Ilham Aliyev ist ein reibungsloser Verlauf wichtig: Der Große Preis von Europa am Sonntag (15.00 Uhr) soll eine Visitenkarte für weitere Großereignisse sein. Nächster Höhepunkt ist am 26. März 2017 das WM-Qualifikationsspiel von Fußball-Weltmeister Deutschland in der gas- und erdölreichen Südkaukasusrepublik.
Die liberale Opposition in der früheren Sowjetrepublik warnt davor, sich von den Glitzerfassaden blenden zu lassen. Sie beklagt, dass vor allem eine kleine Schicht aus Oligarchen und gut bezahlten Staatsbeamten vom Reichtum aus dem Öl- und Gasgeschäft profitieren. Menschenrechtler geißeln das Rennen als Teil einer Kaviardiplomatie einer Ölschickeria. Die autoritäre Führung nutze sportliche Großereignisse zur politischen Imagepflege. Sie kritisieren das Verschwenden von Mitteln, die doch allen gehören.
Für Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone haben Menschenrechtsverletzungen oder Korruption noch nie als Argumente gezählt. Für ihn zählt allein das Geld. „Wenn wir nur noch in Ländern fahren sollen, in denen es keine Korruption gibt - wie viele bleiben dann?“, sagte der 85-jährige Brite am Donnerstag. „Keiner kann mir sagen, was der Begriff Menschenrechte genau umfasst.“
Aserbaidschan gab allein in den vergangenen Jahren Dutzende Millionen für den Eurovision Song Contest (ESC) und die Europaspiele aus. In naher Zukunft folgen die Islamischen Spiele sowie Partien der Fußball-Europameisterschaft 2020. Und ihren Traum von Olympia in Aserbaidschan hat die Führung in Baku längst nicht aufgegeben.
Dass ungeachtet der Petrodollars die meisten Aserbaidschaner in Armut leben, dass Hunderttausende Arbeitslose das Land verlassen, um etwa in Russland ihren Lebensunterhalt zu bestreiten - davon erfahren Besucher meist nichts. Die Regierung in Baku hält die Anschuldigungen für haltlos. Die Vorwürfe seien Propaganda, heißt es immer wieder.
Auf seinem Weg zur Sportgroßmacht hat Aserbaidschan zuletzt einen Rückschlag erlitten. Bei seltenen Protesten demonstrierten Bürger gegen Kaufkraftverlust und eine hohe Inflation - Folgen des Absturzes der Landeswährung Manat. Die Weltbank prophezeit Aserbaidschan unter dem Druck des fallenden Erdölpreises für 2016 einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) um zwei Prozent. Der Haushalt für das Rennen sei aber nicht gekürzt worden, versichern die Organisatoren.
Der Große Preis von Europa ist Chefsache - wie vieles in Aserbaidschan. Aliyev persönlich habe sich für Baku entschieden. „Für Fernsehzuschauer scheinen viele Formel-1-Strecken mittlerweile austauschbar. Aber der Kurs durch unsere schöne Hauptstadt, an modernen und historischen Bauten vorbei, ist ganz speziell“, wird der Staatschef zitiert.
Experten geben Aliyev durchaus recht und schwärmen von dem Kurs, der vom Büro des Aachener Architekten Hermann Tilke konzipiert wurde. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis 340 Stundenkilometern gilt die Strecke als schnellster Stadtkurs - ganz nach dem Motto „The speed is higher in the land of fire“ („Das Tempo ist höher im Land des Feuers“). Allerdings können nur 30 000 Zuschauer das Rennen direkt an der Strecke sehen - so wenig wie bei keinem anderen Kurs.
Als Reaktion auf die Kritik an seiner Führung ließ Aliyev vor kurzem zahlreiche Häftlinge frei. Menschenrechtsorganisationen beklagen aber immer noch zahlreiche politische Gefangene in Aserbaidschan, das sich als Mitglied des Europarats zu Meinungsfreiheit verpflichtet hat.
Bei seinem Besuch in Deutschland warb der Staatschef vor kurzem mit Nachdruck auch um Investitionen in Aserbaidschan. Für wirtschaftliche Offensive würden schönen Bilder vom Asphaltzirkus an diesem Wochenende gerade recht kommen.