Milliardär bei Force India Cockpit dank Papa: Das Formel-1-Geschäft der Familie Stroll
Berlin (dpa) - Die Rettungstat des Milliardärs Lawrence Stroll beschleunigt die Debatte um das Geschäftsmodell der Formel 1.
Vor dem Großen Preis von Italien am Wochenende wartet die PS-Branche nur darauf, dass der Kanadier endlich das zentrale Motiv seiner Übernahme des insolventen Teams Force India offenbart: die Beförderung von Sohn Lance in ein schnelleres Auto. Fraglich erscheint lediglich, ob der 19-Jährige schon in Monza seinen lahmen Williams gegen den rosaroten Flitzer des neu zugelassenen Rennstalls Racing Point eintauschen darf oder erst zur nächsten Saison. „Ich weiß nicht, was mein Vater entscheiden wird. Er ist ein toller Mensch und ich würde mich freuen, wenn er mich nehmen würde“, sagte Lance Stroll.
Daran gibt es wohl kaum einen Zweifel. Schließlich wäre es nicht der erste teure Akt der Vetternwirtschaft in der Familie Stroll. Schon den Weg seines Zöglings in die Formel 1 pflasterten die Millionen von Papa Lawrence, der durch Beteiligungen in der Modewelt schwer reich geworden ist. In den Nachwuchsserien finanzierte er seinem Filius Top-Ingenieure und bestes Material. Dann kaufte er sich beim klammen Williams-Team ein und sicherte Sohn Lance im Vorjahr als zweitjüngstem Fahrer der Formel-1-Geschichte ein Stammcockpit.
In dieser Saison allerdings ist der Williams das schlechteste Auto im Feld. Als vor der Sommerpause Force India in die Pleite rutschte, öffnete Lawrence Stroll prompt erneut die Geldbörse für das in der Vorsaison beste Team hinter den enteilten Branchengiganten Mercedes, Ferrari und Red Bull. „Meine vielleicht spannendste Herausforderung“, richtete der 59-Jährige aus.
Nicht nur für Williams, das nun den baldigen Abschied des Geldgebers und seines Sohnes fürchten muss, sind das schlechte Nachrichten. Auch der 21 Jahre alte Franzose Esteban Ocon, einer der besten Piloten seiner Generation, steht jetzt vor einer ungewissen Zukunft. Er wird wohl seinen Platz bei Racing Point für Lance Stroll räumen müssen. „Der Sitz ist vergeben“, verriet Ocon schon jüngst in Spa dem Ferrari-Kollegen Sebastian Vettel. „An wen?“, fragte Vettel. „Rate mal. An den, der ihn gekauft hat“, entgegnete Ocon.
WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton kann das kaum begreifen. „Leider ist die Formel 1 ein merkwürdiges Geschäft, bei dem Teams statt des nächsten Supertalents lieber das Geld nehmen“, sagte der britische Mercedes-Pilot. „Das zeigt, dass in der Formel 1 etwas mit der Verteilung der Einnahmen fundamental schiefläuft“, befand Hamilton.
Hinter den Konzern-Rennställen von Mercedes und Ferrari ist die Rennserie längst eine Spielwiese von Mäzenen. Getränke-Milliardär Dietrich Mateschitz leistet sich in Red Bull und Toro Rosso gleich zwei Teams, Sauber wird von der schwedischen Tetra-Pak-Dynastie der Familie Rausing alimentiert. Force India war lange abhängig vom schillernden Inder Vijay Mallya und ist nun in der Hand von Stroll, der zuvor zum Überleben von Williams beigetragen hatte.
Nach einer gesunden Langfrist-Perspektive für die Formel 1 klingt das eher nicht. So schnell wie möglich wollen die neuen Chefs der Rennserie daher die kleineren Teams aus der Schuldenfalle befreien. Von 2021 an soll eine Budgetgrenze als Kostenbremse wirken. Schon im kommenden Jahr werde es dafür einen unverbindlichen Probelauf geben, verriet Formel-1-Sportchef Ross Brawn kürzlich. Bis in der Königsklasse des Motorsports das Bezahlmodell „Cash für Cockpit“ endgültig passé ist, dürfte es aber noch ein längerer Weg sein.