Ecclestone wird 84: Action von München bis Aserbaidschan
London (dpa) - Die vergangenen zwölf Monate hatten es selbst für einen Bernie Ecclestone in sich. Punktediskussionen, Soundzoff, Prozesse in München und London, eine 100-Millionen-Dollar-Zahlung, große Sorgen um Michael Schumacher und die Angst um einen weiteren lebensgefährlich verletzten Piloten.
Dazu ein umstrittenes Rennen in Russland Seite an Seite mit Wladimir Putin, eine Präsentation in Aserbaidschan und nun noch der Kampf um zwei am Boden liegende Teams. Für einen gewöhnlichen Bürger würden Ecclestones Erlebnisse binnen zwölf Monaten ein ganzes Berufsleben ausfüllen. Der Brite erledigt das im hohen Alter. Auch an seinem 84. Geburtstag an diesem Dienstag gönnt er sich kaum eine Pause: Die Formel 1 muss in Fahrt bleiben.
Ecclestone überlässt nichts dem Zufall. Der Brite plädierte im Dezember dafür, in den letzten drei Saisonrennen 2014 die doppelten Punkte zu vergeben. Spannung bis zum Schluss ist Ecclestones Devise, damit die Formel 1 nicht zur Formel Langeweile verkommt. Zu groß war die Überlegenheit von Sebastian Vettel in den Red-Bull-Triumphjahren.
Ecclestone echauffierte sich zunächst mit am lautesten über die leiseren Motoren. Die ganze Sache sei absurd, wetterte er schon lange vor dem ersten von 19 Rennen über die Turbo-Triebwerke mit hochkomplizierten Hybridsystemen - und sprach damit fürs Volk: „Die Leute wollen Lärm - etwas Besonderes. Darum geht es in der Formel 1.“ Auch in anderer Hinsicht wünscht sich Ecclestone, der die kommerziellen Geschicke der Formel 1 seit knapp vier Jahrzehnten lenkt und dabei zum Multi-Milliardär wurde, eine Rückkehr zum Purismus in der hochgezüchteten Königsklasse des Motorsports.
In der hitzigen Diskussion um Verbote via Teamradio und der Frage, ob Formel-1-Fahren mittlerweile zu leicht sei, meinte Ecclestone: Die Fahrer „brauchen niemanden an der Boxenmauer, der ihnen sagt, was zu tun ist.“ Ginge es nach dem früher eher weniger erfolgreichen Piloten Ecclestone würde auch die Telemetrie verboten. Zu dem Zeitpunkt konnte er sich schon wieder voll und ganz der Formel 1 widmen, deren TV- und Werberechte er 1977 und 1978 erworben hatte. Auch der aufsehenerregende Prozess in München war Geschichte - Ecclestone zahlte 100 Millionen Dollar (rund 75 Millionen Euro), das Schmiergeldverfahren wurde am 5. August eingestellt.
Dabei beteuerte er unmittelbar nach dem Prozessbeginn am 24. April noch, er werde sich auf keinen Deal mit der Staatsanwaltschaft einlassen, die ihn beschuldigte, den ehemaligen Banker Gerhard Gribkowsky beim Verkauf der Formel 1 vor gut acht Jahren bestochen zu haben. „Warum sollte ich einen Deal wollen? Ich sage dem Gericht die Wahrheit darüber, wie alles abgelaufen ist. Und dann ist es Sache des Gerichts, das alles zu beurteilen“, betonte Ecclestone.
Als die Reisen nach München vorbei waren, machte er sich umgehend wieder an die Arbeit. Langjährige Weggefährten atmeten auf. „Hätte Bernie aufhören müssen, dann wäre das eine Katastrophe für die Formel 1 gewesen“, sagte Dreifach-Weltmeister Niki Lauda, Teamoberaufseher von Mercedes, der „Süddeutsche Zeitung“. Allerdings räumte Ecclestone selbst ein: „Ich war ein bisschen auch ein Idiot, diese Einigung einzugehen.“ Eigentlich habe ihn der Richter praktisch freigesprochen und erklärt, die Staatsanwaltschaft habe keine stichhaltigen Argumente. Ende März triumphierte er bereits in einem Zivilverfahren in London im Zusammenhang mit dem Formel-1-Verkauf zum zweiten Mal. Zudem wurde in New York die Klage einer Investmentfirma abgewiesen, die sich beim Verkauf der Formel-1-Anteile ausgebootet fühlte.
Weltenbummler Ecclestone ist längst wieder zum Formel-1-Alltag übergegangen. Jüngst präsentierte er in Baku die Strecke für die Formel-1-Premiere 2016 in Aserbaidschan. Beim ersten Rennen in Russland schaute sich Ecclestone einige Runden sogar aus der Loge mit Präsident Putin an - normalerweise ist er beim Rennende schon auf dem Weg zum Flughafen. Kritik am zweifelsfrei nahezu perfekt inszenierten Sotschi-Debüt ließ Ecclestone nicht gelten. Schon Monate vorher äußerte er mit ungewöhnlichen politischen Attitüden auch Verständnis für die Anti-Homosexuellen-Politik von Kremlchef Putin. An diesem Wochenende geht es nun für Ecclestones Formel 1 in den USA weiter. Ausruhen scheint es für den nimmermüden Oldie nicht geben.
Jetzt hat das drohende Komplett-Aus von Caterham und Marussia, das zudem weiter um das Leben seines in Japan verunglückten Piloten Jules Bianchi bangt, Ecclestone auf den Plan gerufen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass Ecclestone schon längst die Diskussion um einen dritten Wagen pro Team wieder angeheizt hat.