Formel 1 in Russland: Visier runter, der Rest ist Politik

Sotschi (dpa) - Den Formel-1-Teams gefällt ihr neuer Hochglanz-Arbeitsplatz - Kritik an der umstrittenen Premiere in Russland prallt an den Verantwortlichen ab. Die Devise: Visier runter.

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„Das einzige, was mich interessiert, ist, dass wir ein schnelles Auto haben“, sagte Teamchef Franz Tost von Toro Rosso: „Der Rest ist Politik.“ Nur, dass Russlands Präsident die sportliche Bühne nutzen wird: Womöglich führt Wladimir Putin am Sonntag sogar die Siegerehrung nach dem Renndebüt in Sotschi durch.

Medienberichte, dass die gewohnten Ablaufpläne durch Putins Besuch vor dem Rennen durcheinandergebracht und Fernsehteams in ihrer Arbeit eingeschränkt werden könnten, wiesen die nationalen Veranstalter und auch das Formula One Management allerdings zurück. „Das ist absoluter Unsinn“, betonte Pasquale Lattuneddu von der FOM.

Die Chance, durch die Startaufstellung mit Bernie Ecclestone zu flanieren, umringt von Sicherheitspersonal, dürfte sich Putin kaum entgehen lassen. „Der Sport ist eine Brücke zwischen Ländern und Völkern. Mein Judo-Trainer sagte immer: Ob dein Gegner stark oder schwach ist, du musst ihn stets respektieren“, sagte er schon mal. Mit Politik, so der Kremlchef, habe Sport rein gar nichts zu tun.

Das gefällt dem Formel-1-Personal. „Wir sind Sport-Teams, wir treten in einem Sport an, der in der ganzen Welt populär ist und wo immer wir fahren, werden wir extrem gut empfangen und wir tun unser Bestes, eine gute Show zu liefern“, meinte Red Bulls Teamchef Christian Horner. „Wir sehen uns in keiner Weise politisch.“

Umso spürbarer ist das Unbehagen, wenn die Rede davon ist. Das war so, als Menschenrechtsorganisationen und sogar Politiker vor rund anderthalb Jahren die erneute Absage des Rennens im Königreich Bahrain forderten. Das ist nun wieder so. Erst recht bei den eigentlichen Hauptdarstellern.

„Ich denke, dass Sie wissen, dass das eine sehr schwierige Frage für uns hier zu beantworten ist“, entgegnete Ex-Weltmeister Jenson Button. „Ich denke nicht, dass es eine korrekte Frage an uns Fahrer ist“, sagte der Brite, der wie seine Kollegen zweifelsohne Top-Bedingungen im Olympiapark der Winterspiele vom Februar vorfindet.

Die Motorhomes sind geräumig, die Strecke war rechtzeitig fertig, die Sonne scheint am Schwarzen Meer und die Veranstalter rechnen mit einem ausverkauften Haus. „Ich muss vielen Dank sagen an Putin und Bernie Ecclestone, dass sie es wahr gemacht haben, dass wir ein Rennen in Russland haben“, sagte Toro-Rosso-Teamchef Tost. Der russische Markt sei sehr wichtig für die Zukunft, meinte er - in seinem Rennstall fährt der künftige Sebastian-Vettel-Nachfolger bei Red Bull, Daniil Kwjat aus Russland. Immerhin räumte Tost ein, dass man von den derzeitigen politischen Sanktionen wisse. „Aber früher oder später werden sie beendet“, meinte er.

Nur 500 Kilometer trennen den Premierenparcours tatsächlich aber von der von Moskau im März annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Wegen der Ukrainekrise rief auch Russlands liberale Opposition wiederholt zum Boykott gegen die Großveranstaltung im palmengesäumten Kurort auf.

Das Rennen gilt jedoch als persönliches Prestigeobjekt des russischen Präsidenten - obwohl Motorsport im Riesenreich keine Tradition besitzt. Als Nationalsport gilt im größten Land der Erde Eishockey, mit großem Abstand vor Fußball.

Kritiker sehen die Millionen für den Sport als pure Verschwendung. Russland benötige das Geld dringend etwa zur Modernisierung seiner oft noch sowjetisch geprägten Wirtschaft, meinen sie. Putin aber will die 400 000-Einwohner-Stadt Sotschi mit Riesenschritten zum internationalen Sport-Mekka aufbauen: Erst Olympia, jetzt Formel 1, im November die Schach-WM und in vier Jahren Spiele der Fußball-WM 2018.