Baku & Co. Formel 1 richtet Expansionspolitik neu aus

Baku (dpa) - Unweit der Folklore-Attrappe im Formel-1-Fahrerlager von Baku mit Trachten, Teppichen und Spinnrad stand auch Bernie Ecclestone und plauderte.

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Am Fuße des mächtigen Regierungspalastes der Metropole im Südkaukasus machte der Anfang vergangenen Jahres entmachtete frühere Geschäftsführer seiner Hinterlassenschaft die Aufwartung.

Eigentlich war es umgekehrt, so dürfte es der mittlerweile 87 Jahre alte Brite zumindest selbst empfunden haben. Denn Ecclestone hat die Formel 1 auf ihrem Expansionskurs auch ans Kaspische Meer getrieben - sehr zum Unwillen der neuen Besitzer. So wenig wie im kostbarsten Kreisverkehr der Welt aber ein Rad still stehen darf, so wenig wollen Ecclestones Erben bei der Vermessung ihrer Landkarte innehalten.

Aserbaidschan war ein typischer Deal des früheren Autoverkäufers, es war einer seiner letzten fetten als Alleinherrscher der Rennserie. Mindestens 30 Millionen Euro jährlich lässt sich Machthaber Ilham Aliyev seit 2016 das Spektakel am Prospekt der Ölarbeiter und durch Teile der Unesco-geschützten Altstadt kosten.

Dass das öl- und gasreiche Land von Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch für Menschenrechtsverletzungen kritisiert wird, interessierte Ecclestone nicht wirklich. Den Vorstandschef des neuen Formel-1-Eigentümers Liberty Media, Greg Maffei, dagegen schon eher. Kritische Berichte über das autokratische Aserbaidschan sind schlecht fürs Geschäft und schlecht fürs Image. Motorsport-Tradition hat das Land auch nicht.

„Wir haben einen Vermögenswert übernommen, der nicht genug gepflegt wurde“, kritisierte auch Formel-1-Marketingchef Sean Bratches und verglich die fast 68 Jahre alte Rennserie mit einem Startup. Die nächste Watschn für Ecclestone, der am Wochenende zusammen mit Bakus Grand-Prix-Boss und Sohn des Sportministers, Arif Rahimow, unweit eines Zelts mit aserbaidschanischem Kunsthandwerk plauderte.

Der Vermögenswert Formel 1 soll nachhaltig so geführt werden, dass die Gewinne weiter steigen. Dafür braucht es nach Einschätzung der neuen Vermögenverwalter mehr Rennen. „24 oder 25 ist wahrscheinlich die Zahl, die wir auf lange Sicht gerne haben würde“, sagte Bratches. In diesem Jahr umfasst die Welttournee 21 Etappen.

Hanoi, Miami und Buenos Aires gelten als nächste Kandidaten. „Wir arbeiten daran mit der Regierung in Hanoi zusammen“, bestätigte Bratches. Ein Stadtkurs schwebt den Formel-1-Bossen vor. Mal wieder würde sich die Königsklasse des Motorsports damit in einem autoritär geführten Land ohne Motorsport-Tradition ansiedeln. New York, wie schon so lange, Las Vegas und auch Peking werden zudem gehandelt. Mehr Einnahmen, mehr Reichweite, mehr Publikum - so lautet die Idee.

Eine Aufblähung des Kalenders wird aber nicht geräuschlos ablaufen. Noch mehr Reisen würden die Crews der Teams physisch und psychisch weiter beanspruchen. Vor allem die klammen Rennställe müssen sich das auch leisten können. Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda hält 21 Rennen, so viele gab es sonst nur 2016, für das Maximum: „Mehr wäre Blödsinn, weil wir sonst Verhältnisse wie im Ski-Weltcup schaffen würden.“ Darunter würde die Exklusivität des Produkts leiden.

Der Formel-1-Kalender soll aber auch eine andere Struktur bekommen, drei geografische Inseln sind angedacht. Im Herzen der Welttournee sollen die Rennen in Europa stehen, davor und danach sollen die Ausflüge nach Asien und Amerika gelegt werden.

Baku hat damals einen Zehnjahresvertrag unterschrieben und bleibt auf jeden Fall noch bis 2020 Bestandteil des Kalenders. Sollten sich die Veranstalter allerdings entscheiden, nicht bis 2025 weiterzumachen, müssten sie eine schmerzhafte Geldstrafe überweisen. Die neuen Bosse der Formel 1 hätten wohl nicht wirklich etwas dagegen.