„Gesunde Frustration“ bei Mercedes
Nürburgring (dpa) - Mercedes ruft im Frust über das bittere Formel-1-Heimrennen nach göttlichem Beistand. „Wir müssen jetzt hart arbeiten und hoffen und beten, dass die neuen Reifen an unserem Auto funktionieren“, meinte Silberpfeil-Pilot Lewis Hamilton.
Der Brite rettete sich von der Pole Position gerade noch als Fünfter ins Ziel, fast eine halbe Minute hinter Deutschland-Gewinner und WM-Spitzenreiter Sebastian Vettel im Red Bull. Teamkollege Nico Rosberg wurde gerade mal Neunter nach zuvor zwei Siegen binnen drei Rennen. „In den kommenden Wochen haben wir viel zu tun, um sicherzustellen, dass wir in Ungarn wieder in guter Form sein werden“, mahnte Rosberg.
Dass es in der Puszta eigentlich immer heiß hergeht, dürfte die Chancen der Silberpfeile auf eine Leistungssteigerung nicht gerade verbessern. Die Autos des Werksteams verschleißen bei hohen Temperaturen die Pneus deutlich mehr als die Boliden der Rivalen. Und im Gegensatz zur Konkurrenz muss Mercedes nächste Woche bei den Testfahrten in Silverstone zuschauen und kann so nicht auf der Strecke an den dringend benötigten Lösungen für das Reifenproblem arbeiten. „Wir werden die Reifen nicht auf dem Auto haben, bis wir in Ungarn sind“, stellte Teamchef Ross Brawn fest.
Sein Rennstall steckt im Dilemma. Mercedes wurde wegen des Privattests mit Pirelli vom Weltverband FIA für die Übungsrunden in Silverstone vom 17. bis 19. Juli ausgeschlossen. Eigentlich sollten dort nur Nachwuchspiloten fahren, doch nach dem Reifendebakel beim britischen Grand Prix sind nun auch die Stammpiloten zugelassen. Mercedes aber fügte sich trotzdem in die Zwangspause.
Die Verbannung erweist sich spätestens nach dem Rückschlag auf dem Nürburgring als klarer Nachteil. In Silverstone werden alle anderen Teams die Reifen für das Rennen in Budapest ausprobieren. Mercedes sucht nun händeringend Auswege. „Wenn der Test um einen vierten Tag verlängert wird, haben wir ein Argument, unsere Strafe gilt ja nur für drei Tage“, sagte Brawn. Er machte bei Mercedes nach dem Eifel-Rennen „gesunde Frustration“ aus. Ob Brawns Idee greift, ist offen. Die FIA hatte sich einen Extra-Testtag vorbehalten.
Zusätzliche Streckenkilometer würden bei der Klärung des Mercedes-Mysteriums sicherlich helfen. Nur auf eine schnelle Runde in der Qualifikation ist der Silberpfeil schon jetzt das Maß der Dinge, insgesamt sechsmal eroberten Hamilton und Rosberg in den neun Saisonläufen bereits die Pole Position. Im Rennen aber ist der Mercedes auf Dauer oft zu hart zu den Reifen.
Zwischenzeitlich brachte das Team seine Boliden mit Hilfe des Tauschs der beiden Hinterräder in Fahrt. Der eigentlich für die rechte Seite vorgesehene Pneu wurde links montiert - und umgekehrt. Auf Bitten von Pirelli untersagte die FIA diese Methode aus der Grauzone jedoch vor dem Deutschland-Rennen. Zudem rüstete der Alleinlieferant die Teams mit überarbeiteten Hinterreifen aus.
Prompt wurde der bemerkenswerte Aufwärtstrend der Silbernen gestoppt. Wie schon zu Saisonbeginn kämpften Hamilton und Rosberg im Rennen wieder mit Reifenproblemen, auch wenn es diesmal keinen Total-Absturz gab. Hamilton machte in den letzten 15 Runden immerhin wieder fünf Plätze gut, Rosberg holte in den letzten elf Runden sieben Positionen auf. Hamiltons Fazit über die neu eingesetzten Hinterreifen konnte das allerdings nicht wirklich beeinflussen. Er murrte: „Ich muss mich zurückhalten, ich kann nichts Positives über diese Reifen sagen.“