Vettel triumphiert im Eifel-Krimi - „Yes, we can“
Nürburgring (dpa) - Vater Norbert rieb sich vor Rührung die Augen, Sohn Sebastian Vettel ballte bei der deutschen Nationalhymne erleichtert die Fäuste. Der dreimalige Weltmeister hat mit einer nervenstarken und fehlerfreien Leistung im Eifel-Krimi der Formel 1 seinen Heimfluch bezwungen.
„Endlich hat es geklappt. Ich bin überglücklich. Das ist unglaublich“, sagte Vettel und feierte mit Champagner für seinen 30. Karriere-Erfolg in der Hand und einem breiten Grinsen im Gesicht. „Ich bin unglaublich stolz“, betonte Vettel.
Vier Tage nach seinem 26. Geburtstag verwies er im Red Bull auf dem legendären Nürburgring mit hauchdünnem Vorsprung Kumpel Kimi Räikkönen auf den zweiten Platz. Dessen Lotus-Teamkollege Romain Grosjean wurde Dritter. Vettels schärfster WM-Verfolger Fernando Alonso schaffte es nicht aufs Podest und rollte als Vierter kurz hinter der Ziellinie aus.
Die hochgehandelten Mercedes-Piloten Lewis Hamilton, der von der Pole Position gestartet war, und sein Silberpfeil-Mitstreiter Nico Rosberg kamen nicht über die Plätze fünf und neun hinaus. Nico Hülkenberg im Sauber und Adrian Sutil im Force India belegten die Plätze zehn und 13. „Es ist etwas skurril, dass innerhalb eine Woche mit neuen Reifen aus einem Siegauto ein Platz fünf, sechs-Auto wird“, stellte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff im TV-Sender Sky enttäuscht fest. „Da ging nichts. Das erinnerte an die ersten Rennen in dieser Saison“, meinte Rosberg, der wie alle im Team den Rückschlag nach zuletzt zwei Siegen in drei Rennen verdauen musste.
Überschattet wurde das sportlich hochattraktive Geschehen von einem enorm gefährlichen Unfall an der Box. Bei einem schlampigen Stopp der Red-Bull-Crew löste sich am Wagen von Vettels Teamkollegen Mark Webber beim Beschleunigen das rechte Hinterrad und traf einen Kameramann. Der wurde umgehend behandelt und vom Streckenhospital mit einem Helikopter nach Koblenz geflogen. „Dem Kamermann geht es gut. Er hat eine kleine Schnittwunde und blaue Flecken“, erklärte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. „Die Boxengasse ist ein gefährlicher Ort.“
Dafür ging von den neuen Hinterreifen, die Pirelli nach dem Desaster von Silverstone geliefert hatte, keine Gefahr mehr aus. Lob gab es prompt vom Gewinner. „Glückwunsch, sie haben einen tollen Job gemacht“, sagte Vettel.
Er selbst blieb auch fehlerlos. Der Heppenheimer beendete mehrere schwarze Serien: Er gewann erstmals in seiner Karriere ein Rennen in seinem Geburtstagsmonat Juli, er gewann erstmals in Europa wieder ein Rennen seit rund 22 Monaten. Und sein Erfolg war der erste deutsche Heimsieg seit Michael Schumachers beiden Erfolgen 2006 in Hockenheim und auf dem Nürburgring. „Es ist unglaublich, Sebastian vor seinem Publikum siegen zu sehen. Es gibt dieselben Punkte, aber manche Rennen sind für Fahrer etwas Besonderes“, sagte Horner.
In der WM-Wertung baute sein Star-Fahrer den Vorsprung auf Alonso auf 34 Punkte aus, Räikkönen liegt 41 Zähler hinter dem Heppenheimer, der unmittelbar nach dem Start schon in Führung gegangen war. Polesetter Hamilton versuchte vergeblich, sich zu wehren und wurde auch noch von Webber kassiert. Beim Boxenstopp des Australiers, der 2009 auf dem Nürburgring seinen ersten Formel-1-Sieg gefeiert hatte, hielten die rund 50 000 Zuschauer in der Eifel den Atem an. Nach dem gefährlichen Vorfall kam Webber mit einer Runde Rückstand wieder zurück ins Rennen, Vettel konnte er nicht mehr helfen.
Nun setzte das Lotus-Duo den WM-Spitzenreiter mächtig unter Druck. Der Hesse konnte sich partout nicht absetzen. Es hätte allerdings auch nichts genutzt: Nach der unfassbaren Geisterfahrt eines führerlosen Marussia-Rennwagens kam das Safety Car auf die Strecke. Das Feld rückte wieder zusammen, nachdem der Wagen des russischen Teams nach einem Motorschaden und dem Ausstieg von Fahrer Jules Bianchi rückwärts über den Kurs gerollt war.
Vettel und seine drei Jäger Grosjean, Räikkönen und Alonso machten sich prompt für die zweite Hälfte der 60 Runden bereit und holten sich neue Reifen ab. Als Grosjean erneut an die Box kam, reagierte Red Bull, zog auch an Vettels Red Bull neue Reifen auf. Räikkönen, möglicher Teamkollege von Vettel im kommenden Jahr, übernahm die Spitze.
Nach einigen Runden ohne die Zusatz-PS durch das Energierückgewinnungssystem KERS konnte Vettel dann auch darauf wieder bauen. Und Räikkönen, der 2005 in Führung liegend in der letzten Runde wegen eines platten Reifens auf dem Nürburgring ausgeschieden war, kam auch noch einmal an die Box. Er pirschte sich auf den letzten der 60 Runden erneut an Vettel ran. Zum Überholen reichte es nicht und Vettel jubelte bei der Zieldurchfahrt via Boxenfunk: „Yes, yes, yes, we can.“