„In eigener Liga“: Hamilton zeigt Rosberg Grenzen auf

Silverstone (dpa) - Im goldenen Formel-1-Zeitalter des Lewis Hamilton droht Nico Rosberg die Rolle des ewigen Nebendarstellers.

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Das Silverstone-Kunststück des Briten brachte seinen deutschen Herausforderer einmal mehr nah an die Verzweiflung und bestärkte den Eindruck, dass Hamilton kaum vom Weg zu seinem dritten WM-Titel abzubringen sein wird. „Solche Siege erzeugen Selbstbewusstsein, daher glaube ich wirklich, dass das Beste von Lewis erst noch kommen wird“, sagte das britische Formel-1-Idol Nigel Mansell in Erwartung weiterer Triumphe seines schillernden Landsmanns.

Für Hamiltons Mercedes-Kollegen Rosberg sind solche Analysen schwer verdaulich. „Ich hadere überhaupt nicht“, beteuerte der 30-Jährige zwar, doch am Abend nach dem neunten Saisonlauf wirkte Rosberg nachdenklich und ein wenig fassungslos. Wieder einmal hatte Hamilton einen Aufschwung seines Stallrivalen abrupt beendet und mit einem erneuten Beweis seiner Reife die Verhältnisse bei den Silberpfeilen zurecht gerückt.

„Hamilton bewegt sich im sicheren Gefühl eines Mannes, der weiß, dass ihm niemand gewachsen ist“, urteilte die „Daily Mail“. Mit seiner punktgenauen Reifen-Entscheidung in der Regen-Lotterie von Silverstone zeigte der Doppel-Champion, dass er im Jahr 2015 auf einer neuen Stufe seines Rennfahrer-Könnens angelangt ist. Hamilton ist auf der Strecke nicht mehr nur von purer Emotion und dem Willen zur Attacke getrieben, sondern längst auch fähig zur kühlen Taktik.

Eben das dürfte Rosberg zu Denken geben. Galt er doch lange als der Tüftler, der Kopfmensch im Vergleich zum launischen Bauchfahrer Hamilton. Noch lange nach seiner Niederlage in Silverstone konnte sich Rosberg nicht erklären, wie sein WM-Konkurrent die bessere Boxenstrategie gefunden hatte. „Wenn Hamilton im Herbst seinen dritten Weltmeistertitel holt, wird er diese Leistung als Sinnbild für all seine großen Qualitäten begreifen“, befand der „Telegraph“.

„Es ist ganz sicher die beste Zeit meiner Karriere“, hatte Hamilton schon vor der packenden Siegerfahrt in seiner Heimat gesagt. Zu Tränen gerührt nahm er auf der Boxenmauer die Huldigungen seiner Landsleute entgegen, die glitzernde Trophäe nach oben gereckt. „Den Namen Hamilton auf diesem Pokal zu lesen, das macht mich und meine Familie stolz“, versicherte der WM-Spitzenreiter.

Neben dem historischen Wert spürte Hamilton nur zu genau, wieviel Rückenwind ihm sein 38. Grand-Prix-Erfolg für die zweite Saisonhälfte geben kann. Auch wenn nur 17 Punkte zwischen ihm und Rosberg liegen, gehören die wichtigen Momente auch in diesem Jahr zumeist dem Briten. „Es sind Feinheiten und Details, die rennentscheidend sind und die im Moment den Unterschied machen, warum der eine mehr Punkte hat als der andere“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Für Rosberg wird die Suche nach Hamiltons Schwachpunkt immer schwerer. „Lewis ist in einer eigenen Liga. Er weiß, dass er der Beste ist“, erklärte der frühere Teamchef Eddie Jordan als TV-Experte am BBC-Mikrofon. Rosberg blieb da nur ein Verweis auf die WM-Mathematik. „Es sind 250 Punkte zu vergeben. Einfach ist es nicht, aber ich bleibe dran“, sagte der WM-Zweite. In Silverstone aber erlebte Rosberg erneut, dass es auch in der Formel 1 einen Unterschied zwischen Dranbleiben und Vorbeikommen gibt.