Gegenwind für Boss Carey Neuer Machtkampf um Formel-1-Zukunft

Abu Dhabi (dpa) - Mit dem Ende seiner ersten Saison als Formel-1-Chef ist auch die Schonfrist für Chase Carey vorbei. Die ersten Ausläufer eines beginnenden Machtkampfs um den zukünftigen Kurs der Rennserie spürte der Nachfolger von Zampano Bernie Ecclestone schon beim Finale in Abu Dhabi.

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„Wir glauben, dass wir den Sport in den kommenden Jahren auf einen neue Stufe heben können. Wir haben viel Wachstum vor uns“, entgegnete Carey der wachsenden Unruhe und erster offener Kritik im Fahrerlager.

Vor allem von den großen Teams Ferrari und Mercedes erfährt die neue Formel-1-Spitze zunehmend Gegenwind. Eine Budgetgrenze? Weniger Mitsprache? Eine vereinfachte Technik? Mehr Chancengleichheit für die kleineren Rennställe? Die Ungewissheit über das neue Geschäftsmodell, das Carey den Teams Anfang Dezember vorstellen will, sorgt bei den Branchenriesen zunehmend für Unmut. „Es sollte Ideen geben, wie man mehr Einnahmen generiert. Aber die sehe ich nicht“, ätzte Niki Lauda, der Team-Aufsichtsratschef von Mercedes.

Ferrari-Präsident Sergio Marchionne drohte gar mit einem Ausstieg. „Wenn wir den Sandkasten so umbauen, dass er nicht mehr länger als Sandkasten zu erkennen ist, dann spielen wir nicht mehr mit“, dichtete Marchionne. Weltverbandschef Jean Todt sind derlei Debatten unangenehm. „Ja, es würde mir Sorgen bereiten, wenn Ferrari oder Mercedes gehen würden“, sagte der Franzose, der kurz vor seiner Wiederwahl steht, in Abu Dhabi.

Auch Geschäftsführer Carey mag den öffentlichen Wirbel um die strategische Ausrichtung des Grand-Prix-Spektakels nicht, will lieber zunächst hinter geschlossenen Türen verhandeln. „Wir werden keine Lösung finden, bei der sich alle auf alles einigen können. Es geht um die richtigen Kompromisse, bei denen alle am Ende besser dastehen als vorher“, sagte der 64-Jährige. Einen Abschied von Ferrari aber will er nicht riskieren. „Unser Ziel ist es, dass Ferrari Teil dieses Sports bleibt, so lange wir Rennen fahren“, sagte Carey.

Noch sehen sich die neuen Eigentümer von Liberty Media am Anfang ihres Weges. Bis 2020 gilt der von Ecclestone mit ausgehandelte Grundlagenvertrag mit den Teams, erst danach sind gravierende Reformen möglich. Derzeit arbeiten Carey und seine Crew noch daran, die Versäumnisse von Ecclestones Ein-Mann-Show durch massive Investitionen in Marktforschung, Digitalstrategie und Marketing zu beheben. „Dieser Sport hat von seiner Vergangenheit gelebt und nicht in seine Zukunft investiert, das war überfällig“, sagte Carey.

Kurzfristig bedeuteten die erhöhten Ausgaben für frisches Personal und moderne PR-Arbeit jedoch, dass die Teams zum ersten Mal seit langem weniger Preisgeld erhalten werden. „Sie sind ja ziemlich aktiv, aber das Problem ist, dass sie die richtige Balance zwischen den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und den Bedürfnissen der Teams finden müssen“, knurrte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene.

Die Erwartungshaltung ist klar: Carey wird den Rennställen erklären müssen, wie dank seiner Pläne bald wieder mehr Geld in ihre Kassen fließt. „Wahrscheinlich wird es 2019, 2020 und dann vor allem 2021, bis wir wirklich die Früchte ihrer Investitionen sehen“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Zumindest die drei Kernziele seines Konzepts hat Carey bereits dargelegt. „Zuerst wollen wir die Action auf der Strecke großartig machen. Eine Erfahrung, die die Sinne schüttelt. Dann geht es um das Event an sich, die Einbeziehung der Gastgeberstädte. Und letztlich wollen wir die Zuschauer über alle Plattformen stärker einbinden, die das Rennen aus der Ferne verfolgen“, erklärte der New Yorker.

Den kalt gestellten Bernie Ecclestone indes wird Carey wohl nicht mehr für seine Ideen gewinnen. „Wir haben ein Fünfsterne-Restaurant geführt, sie wollen ein Fast-Food-Lokal“, höhnte der 87-Jährige aus dem erzwungenen Ruhestand.