Russlands Formel-1-Debüt im Zeichen Putins
Sotschi (dpa) - Für Wladimir Putin warf Bernie Ecclestone alle Gewohnheiten über Bord. Sonst verlässt der 83 Jahre alte Brite schon vor der Zielflagge die Rennstrecke.
An diesem für ihn, die Formel 1 und auch Russlands Präsidenten sportpolitisch ebenso bedeutsamen wie umstrittenen Tag, schaute Ecclestone die letzten Runden in aller Öffentlichkeit mit an. Und neben ihm saß Putin.
Bestens gelaunt empfingen die engen Freunde und Geschäftspartner die verschwitzten Fahrer schon im Warteraum zur Siegerehrung. Die Chance, vor der Formel-1-Weltöffentlichkeit den Pokal für Gewinner Lewis Hamilton vom neuen Konstrukteursweltmeister Mercedes zu überreichen, ließ sich Putin nicht nehmen.
Als Hamilton und dessen zweitplatzierter Teamkollege Nico Rosberg sowie Valtteri Bottas von Williams das Podium betraten, stand Putin schon dort. „Es war eine großartige Erfahrung“, kommentierte Hamilton die Übergabe der 31. Siegertrophäe in seiner Formel-1-Karriere durch den Kremlchef. Den Gang durch die Startaufstellung beim ersten Großen Preis von Russland hatte Putin fünf Tage nach seinem 62. Geburtstag noch seinem Vize-Ministerpräsidenten Dmitri Kosak überlassen.
Gut eine Stunde vor dem Start war die Show in der Winter-Olympiastadt losgegangen, mit ein bisschen Pathos und Patriotismus: Tanzende Kosaken mit Säbeln, eine Staffel Kunstflieger am strahlend blauen Himmel und eine 450 Meter lange Fahne in den russischen Landesfarben weiß, blau und rot.
Wilde Spekulationen, dass Putins Besuch die gewohnten Ablaufpläne vor dem Rennen durcheinanderbringen und Fernsehteams gar in ihrer Arbeit eingeschränkt werden könnten, hatten die nationalen Veranstalter und auch das Formula One Management zurückgewiesen. „Das ist absoluter Unsinn“, betonte Pasquale Lattuneddu von der FOM.
Und tatsächlich lief alles so wie sonst auch, außer dass die Fahrer bei der russischen Nationalhymne in einer Reihe standen und das sonstige Gewusel in der Startaufstellung für einen Moment ruhte. Dies soll künftig aber wohl überall und vor jedem Rennen so sein.
Das Rennen in Russland war dennoch keines wie jedes andere. Im Vorfeld hatte es wegen des Ukraine-Konflikts Boykottaufrufe gegeben. Nur 500 Kilometer trennen den Premierenparcours tatsächlich aber von der von Moskau im März annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
„Wir sind Sport-Teams, wir treten in einem Sport an, der in der ganzen Welt populär ist und wo immer wir fahren, werden wir extrem gut empfangen und wir tun unser Bestes, eine gute Show zu liefern“, meinte allerdings Red Bulls Teamchef Christian Horner. „Wir sehen uns in keiner Weise politisch.“
Umso spürbarer war einmal mehr das Unbehagen, wenn die Rede darauf kam. Das war so, als Menschenrechtsorganisationen und sogar Politiker vor rund anderthalb Jahren die erneute Absage des Rennens im Königreich Bahrain forderten. Nun war es wieder so. „Ich denke, dass Sie wissen, dass das eine sehr schwierige Frage für uns hier zu beantworten ist“, sagte Ex-Weltmeister Jenson Button als die Sprache auf Umstände kam. „Ich denke nicht, dass es eine korrekte Frage an uns Fahrer ist“, sagte der Brite. Wie seine Kollegen fand er zweifelsohne Top-Bedingungen im Olympiapark der Winterspiele vor.
Die Motorhomes waren geräumig, die Strecke rechtzeitig fertig, die Organisation ließ keine Wünsche der Rennställe offen. „Ich muss vielen Dank sagen an Putin und Bernie Ecclestone, dass sie es wahr gemacht haben, dass wir ein Rennen in Russland haben“, äußerte sich Toro-Rosso-Teamchef Tost.
Kritiker sehen die russischen Millionen für den Sport als pure Verschwendung. Russland benötige das Geld dringend etwa zur Modernisierung seiner oft noch sowjetisch geprägten Wirtschaft, meinen sie. Putin aber will die 400 000-Einwohner-Stadt Sotschi mit Riesenschritten zum internationalen Sport-Mekka aufbauen: Erst Olympia, jetzt Formel 1, im November die Schach-WM und in vier Jahren Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 2018.