Verneigung vor dem „Kannibalen“: „Mythos“ Vettel
Berlin (dpa) - Ob „neuer Kannibale“, „Phänomen der Frühreife“ oder „Sport-Star mit Manieren“: Die Weltpresse hat Sebastian Vettel mit Lob überschüttet.
„Mit 24 Jahren ist Vettel schon zu einem Mythos in der Formel 1 geworden“, schrieb die „La Gazzetta dello Sport“ über den alten und neuen Formel-1-Weltmeister. Die Medien im Rennsport begeisterten Großbritannien, die in früheren Zeiten britisch-deutsche Duelle gern mit martialischen Worten beschrieben hatten, wagten nach Vettels Krönung im fernen Japan sogar eine Prophezeiung.
„Sogar die 91 Siege und sieben WM-Titel seines Vorbilds und Landsmannes Michael Schumacher - bisher als unerreichbar betrachtet - sind jetzt unter Beschuss“, schrieb der „Daily Telegraph“. Der französische „Le Figaro“ kommentierte: „'Baby Schumi' kann davon träumen, den größten Fahrer der Geschichte zu entthronen.“
Auch Sportgrößen trauen Vettel zu, die Formel-1-Rekordgeschichte neu zu schreiben und die sieben WM-Titel von Kumpel Schumacher zu knacken. „Was Michael im Motorsport geleistet hat, ist gigantisch. Ob Sebastian das jemals schaffen wird, wird die Zukunft zeigen. Die Voraussetzungen dafür hat er jedenfalls“, findet Box-Weltmeister Wladimir Klitschko.
„In jedem Fall kann der Rekord von Michael Schumacher wackeln, denn Vettel hat noch viel Zeit, er ist jung und hat alle Voraussetzungen“, sagte Heiner Brand, Handball-Weltmeister als Spieler und Trainer, der Nachrichtenagentur dpa. „Ob er an Michael Schumachers Rekord rankommt, wird man sehen. Aktuell sieht es natürlich danach aus“, meinte der ehemalige Weltklasse-Skispringer Sven Hannawald.
Als „ewiger Frühreifer“ bezeichnete die „Neue Zürcher Zeitung“ den Wahl-Schweizer. „Er kann eindeutig mehr als nur schnell fahren. Mit der Gelassenheit eines Routiniers hat er das Maximalziel der Saison so früh erreicht.“ Sprich: Den zweiten Titel nacheinander, und das mit 24 Jahren und 98 Tagen. So schnell wie kein anderer zuvor.
„Eines ist in diesem Jahr klar geworden: Dass er außergewöhnlich reif ist“, urteilte die „New York Times“. „Le Parisien“ in Frankreich schrieb vom „Phänomen der Frühreife“. Spaniens Zeitung „El País“ stellte fest: „Er hat unter Beweis gestellt, wie sehr er als Rennfahrer gewachsen ist. Er ist der Rekordmann und große Herrscher der gegenwärtigen Formel 1.“
Vettel hat die Formel 1 nicht nur erobert. Der Hesse, Typ „everybody's darling“, hat sie mit seiner Art - authentisch, bodenständig und emotional - in seinen Bann gezogen. „Der neue Kannibale weinte vor Freude“, schrieb „La Repubblica“. „Vom Zimmermann-Sohn zum jüngsten Doppel-Champ: Vettel ist ein Sport-Star mit Manieren und sturem Kopf“, meinte das österreichische Blatt „Heute“.
Die Konstanz des Red-Bull-Stars mit 14 Podiumsplätzen in 15 Rennen (Neunmal Erster, viermal Zweiter, einmal Dritter und einmal Vierter) in diesem Jahr findet sogar sein oberster Chef, Rennstallbesitzer Dietrich Mateschitz, „unglaublich“.
Die Nachrichtenagentur dpa hat die Pressestimmen gesammelt:
ITALIEN
„La Gazzetta dello Sport“: „Bravo! Vettels zweiter WM-Titel alla Schumi. Mit 24 Jahren ist Vettel schon zu einem Mythos in der Formel 1 geworden. Die Rivalen applaudieren dem Champion. Hamilton verursacht nur Ärger. Er ruiniert Massas Rennen und wird nicht einmal bestraft. Ein Skandal!“
„La Repubblica“: „Der neue Kannibale weinte vor Freude. Vom jungen Talent zum Champion und Schumacher-Erben mit einem Ferrari-Traum. Vettels Dominanz wird noch andauern.“
„Corriere della Sera“: „Vettel folgt Vettel in einem perfekten Jahr für Red Bull. Sein Rennwagen ist eine Rakete und er hat sie in Perfektion in den Himmel pilotiert. Vettel ist in dieser Saison fast perfekt gefahren, seinen Gegnern ließ er nur ein paar Krümel übrig.“
„Tuttosport“: „Super-Vettel feiert seine zweiten WM-Titel. Ein dritter Platz reichte ihm.“
„Corriere dello Sport“: „Jetzt will Vettel Schumacher übertrumpfen. Der spannende Grand Prix von Japan endet mit dem großen Vettel-Fest.“
SPANIEN
„Sport“: „Der deutsche hat den Welttitel total verdient. Vettel und sein Team haben in dieser Saison fast die Perfektion erreicht.“
„El Mundo“: „Der Deutsche ist gestern mit zwei WM-Titeln nacheinander wie ein Donnerschlag in die Formel-1-Geschichte eingegangen.“
„El País“: Er hat unter Beweis gestellt, wie sehr er als Rennfahrer gewachsen ist. Er ist der Rekordmann und große Herrscher der gegenwärtigen Formel 1.“
GROßBRITANNIEN
„The Guardian“: „Vettels ungefährdeter Triumph zeigt, dass Beständigkeit auch fesselnd sein kann. Wie der Prinz of Wales hat er auf seine Krönung gelauert, die irgendwann kommen musste.“
„The Independent“: „Jenson Button hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie gerne er den Großen Preis von Japan auf einer der großartigsten Rennstrecken der Welt gewinnen möchte. Gestern wurde sein Wunsch erfüllt. Er dominierte das Rennen in einem tapferen, aber völlig fruchtlosen Versuch, Sebastian Vettel von seinem zweiten WM-Titel in Folge abzuhalten.“
„Daily Telegraph“: „Vettel kann zehn Jahre lang regieren. Wenn er so weitermacht wie bisher, wird niemand einen Stich gegen ihn bekommen. Sogar die 91 Siege und sieben WM-Titel seines Vorbilds und Landsmannes Michael Schumacher - bisher als unerreichbar betrachtet - sind jetzt unter Beschuss.“
„The Times“: „So jung, so viel - die Titelverteidigung stellt Vettel in den Kreis der Größten.“
„The Sun“: „Zweimal oben - König Vettel macht es zum zweiten Mal in Folge.“
FRANKREICH
„Libération“: „Was bei Vettel auffällt, ist seine unglaubliche Reife, der Weitblick seiner technischen Analysen trotz begrenzter Erfahrung und die Fähigkeit, sein Team zu seinen Gunsten zu vereinen. Hinzu kommt seine Cleverness beim Rennen. Er ist ein einwandfreier Fahrer.“
„Le Parisien“: „Vettel ist ein Phänomen der Frühreife. Mit einer Klasse, die man sonst nur von den erfahrensten Fahrern kennt, triumphiert er bereits vier Rennen vor dem Ende der Weltmeisterschaft. Das hat seit Michael Schumacher niemand geschafft.“
„Le Figaro“: „Als Michael Schumacher so alt war wie Vettel, hatte er nicht einmal den ersten seiner sieben Weltmeister-Titel gewonnen. "Baby Schumi“ kann davon träumen, den größten Fahrer der Geschichte zu entthronen.“
ÖSTERREICH:
„Der Standard“: „Sebastian Vettel und das 'fantastische Jahr'.“
„Die Presse“: „Die Formel 1 ist eine große Show geworden - und auf die Tradition wird gepfiffen. (...) Weil moderne Rennen auf Designerstrecken stattfinden. Aus Sebastian Vettel kann also zum Glück nie ein Michael Schumacher werden. Nicht nur, weil sich die Formel 1 in nur wenigen Jahren grundlegend verändert hat. Langweiler Schumacher hat dafür gesorgt, dass Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone nie wieder einen siebenfachen Weltmeister zulassen wird. Sollten Vettel und Red Bull nächstes Jahr wieder allen davonfahren, steht eben die nächste Regeländerung ins Haus. Schlimmstenfalls muss Vettel mit der Rikscha fahren.“
„Kurier“: „Erledigt. Party mit angezogener Handbremse“
„Krone“: „Buttons Triumphfahrt in 'Vettel-artiger' Manier“
„Kleine Zeitung“: „Doppelchampion Vettel im Stress - Keine große Party. 'Festlich' war die Szenerie zu Vettels Krönung nicht. Teams packten in aller Eile die Container für den Weitertransport nach Korea, selbst nach seinem Interview-Marathon fand Vettel keine Zeit zum Anstoßen.“
„Salzburger Nachrichten“: „Vettel krönt sich zum Doppelweltmeister. (...) Der Champion tat alles, um seinen zweiten Titel mit Stil zu holen.“
„Heute“: „PS-Kaiser Vettel. Vom Zimmermann-Sohn zum jüngsten Doppel-Champ: Vettel ist ein Sport-Star mit Manieren und sturem Kopf“
SCHWEIZ
„Blick“: „WM-Party ohne Tränen. Sebastian Vettel (24) freute sich in Japan über seinen zweiten WM-Titel, aber er wollte diesen mit dem 20. GP-Sieg feiern! Für dieses Jubiläum an einem großen Tag fehlen dem Red-Bull-Wunder nicht nur 2,006 Sekunden, sondern auch zwei Überholmanöver gegen Sieger Jenson Button (McLaren) und Fernando Alonso, der rasenden Lebensversicherung von Ferrari.“
„Neue Zürcher Zeitung“: „Ein ewiger Frühreifer. Sebastian Vettel ist erneut Formel-1-Weltmeister - er kann eindeutig mehr als nur schnell fahren. Mit der Gelassenheit eines Routiniers hat er das Maximalziel der Saison so früh erreicht.“