Vettel in der Frustzone: Kraftakt wie bei Schumacher

Budapest (dpa) - Der Weg vom Parkplatz ins betongraue Fahrerlager des Hungarorings birgt für Sebastian Vettel eine schmerzhafte Erinnerung an bessere Tage.

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In einem kleinen Tunnel muss der viermalige Formel-1-Weltmeister an einem Bild von seinem Sieg im Vorjahr vorbei. Damals schien die Rückkehr von Vettel und Ferrari an die Spitze der Königsklasse vorgezeichnet. Ein Jahr später indes ist das Traditionsteam tiefer denn je in der Frustzone - und der Chefpilot muss inzwischen in immer kürzeren Abständen Durchhalteparolen verbreiten. „Es gibt keinen Grund zur Panik“, lautet einer der Sätze, den man zuletzt häufiger von Vettel gehört hat.

Vor dem elften der 21 Saisonrennen am Sonntag ist Ferrari immer noch sieglos. Zum gleichen Zeitpunkt in seinem Ferrari-Debütjahr 2015 hatte Vettel bereits 160 WM-Punkte eingefahren, diesmal sind es kümmerliche 98.

Spitzenreiter Nico Rosberg liegt schon 70 Zähler voraus. In Ungarn könnte neben den Mercedes auch Red Bull wieder den Ferrari davonfahren. „Die Strecke sollte uns auch liegen. Wir kommen ja nicht her, um auf die anderen zu schauen“, behauptet Vettel trotzig.

Dennoch ist spürbar, dass der Zauber des Vorjahres verflogen ist. Vettel wirkt angespannter, dünnhäutiger. Die sportliche Krise wird zur dauerhaften Nervenprobe. Am Donnerstag kritisierte er die Medien leidenschaftlich dafür, ein falsches Bild von der Situation bei Ferrari zu verbreiten. „Es hat sich nichts geändert. Wir sind immer noch alle hochmotiviert“, versichert er.

Es kostet Vettel in diesen Tagen viel Kraft, nach außen und innen Ruhe zu verbreiten, seiner Anführer-Rolle gerecht zu werden. Der 29-Jährige weiß, dass er in dieser Situation den verständnisvollen Teamplayer geben muss. „Wir müssen die Welt nicht auf den Kopf stellen“, beteuert Vettel.

Dass Fiat-Boss Sergio Marchionne unnachgiebig Siege und Titel fordert, soll intern zu Zerwürfnissen geführt haben. So halten sich hartnäckig Gerüchte, der für die Aerodynamik zuständige James Allison wolle hinschmeißen, nachdem zuletzt gerade in diesem Bereich die Schwächen des SF16-H offensichtlich wurden. „Wir liegen überall zurück“, sagt Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen.

Vettel indes lehnt Schuldzuweisungen ab. „Wir müssen unserem Auto vertrauen, unserem Team und den Werkzeugen, die wir haben“, mahnt der Heppenheimer. „Wir machen Fortschritte, aber wir können einige Dinge nicht einfach über Nacht ändern.“ Wer Vettel bei solchen Sätzen zuhört, denkt unweigerlich an sein großes Vorbild Michael Schumacher. Auch der Rekordchampion musste bei Ferrari eine lange Phase des Aufbaus und der Rückschläge durchstehen, ehe seine Ära von fünf Titeln mit der Scuderia begann.

Vettel weiß längst, dass er wohl noch viel Geduld brauchen wird. „Wir müssen auf uns selbst schauen, die Probleme versuchen zu verstehen und konkurrenzfähiger werden“, lautet seine Arbeitsanweisung. Die Frage ist allerdings mehr denn je, ob die chronisch aufgeregte Scuderia noch einmal einen solchen Kraftakt wie einst mit Schumacher vollbringen kann. Vettel allein wird es kaum richten können.