Vettel-Teamchef: „Sebastian ist einzigartig“
Suzuka (dpa) - Für Red-Bull-Teamchef Christian Horner hat sich Sebastian Vettel auf dem Weg zum vierten Formel-1-Titel noch einmal gesteigert.
„Er fährt besser, als ich es jemals gesehen habe“, sagte der Brite im Interview der Deutschen Presse-Agentur vor dem Großen Preis von Japan. In Suzuka kann Vettel am Sonntag vorzeitig wieder Weltmeister werden. Horner sieht dies aber lediglich als Zwischenstation für den 26-Jährigen. „Er hat eine leuchtende Zukunft vor sich“, meinte der Teamchef.
Frage:Sebastian Vettel kann am Sonntag schon seinen vierten Titel gewinnen. Womit rechnen Sie in Suzuka?
Antwort:Von der WM-Tabelle her mag es möglich sein, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich. Unser Fokus liegt auf diesem Rennen, da wollen wir das Maximum erreichen, möglichst gewinnen. Wir schauen hier nicht auf die Gesamtwertung.
Frage:Inwiefern hätten Sie denn erwartet, zu diesem Zeitpunkt der Saison bereits die Chance zum Titelgewinn zu haben?
Antwort:Davon konnten wir nur träumen. Das ganze Team hat unheimlich hart gearbeitet, mit großer Hingabe und Entschlossenheit, beide Titel zu verteidigen. Es ist noch ein ganzes Stück Weg in dieser WM, fünf Rennen sind noch zu fahren. Zum Glück haben wir uns in eine aussichtsreiche Lage gebracht. Aber wir dürfen nichts als selbstverständlich betrachten.
Frage:Wie hat sich Vettel auf dem Weg zu vier Titeln in Serie als Fahrer entwickelt?
Antwort:Er fährt besser, als ich es jemals gesehen habe. Er sammelt Erfahrung, auch Lebenserfahrung, hat sich als Fahrer und als Mensch entwickelt. Er hat den Glauben an seine Stärke, großes Selbstbewusstsein gepaart mit einem enormen natürlichen Talent. Was er in diesem Jahr erreicht hat, acht Rennen zu gewinnen, das ist ziemlich phänomenal.
Frage:Was unterscheidet den Vettel von 2009, als er in Ihr Team kam, vom Vettel des Jahres 2013?
Antwort:Grundsätzlich ist er natürlich immer noch der gleiche Mensch. Aber er hat jetzt diese Erfahrung, hat eine Menge Rennen gewonnen, viele Punkte gesammelt und Pole Positions eingefahren. Diese Erfahrung, einige harte WM-Kämpfe durchgestanden zu haben, kommt ihm jetzt zugute.
Gab es ein besonderes Ereignis, dass Vettels Charakter auf den Punkt bringt?
Antwort:Nehmen wir zum Beispiel Abu Dhabi im vergangenen Jahr, als er sich nicht ein einziges Mal beklagte oder beschwerte, obwohl er ans Ende des Starterfelds strafversetzt wurde. Er hat einfach den Kopf runtergenommen, sich auf seine Aufgabe fokussiert und ist ein grandioses Rennen gefahren. Er hat sich durchs Feld gewühlt und ist Dritter geworden.
Frage:Ist Vettel auch abseits der Strecke als Persönlichkeit so sehr gereift oder immer noch ein Lausbube wie früher?
Antwort: Er ist eine Mischung von beidem. Wenn man ihn in seinem Arbeitsumfeld beobachtet, ist er enorm reif und erwachsen. Sein Feedback und seine Anforderungen an die Ingenieure werden immer besser und präziser. Abseits davon, in einer entspannteren Umgebung, ist er immer noch dieser frische Junge, der vor vielen Jahren zu uns kam. Der Rückhalt, den er im Team hat, ist fantastisch. Jeder im Team mag ihn. Er hat einen tollen Charakter und eine großartige Persönlichkeit.
Frage:Von einem Weltmeister wird erwartet, ein Team zu führen. Wie ist Vettels Führungsstil?
Antwort:Er geht in vielerlei Hinsicht einfach mit gutem Beispiel voran, ist schlicht ein Vorbild. Er verlangt von sich selbst höchste Konzentration, ist immer ehrlich, steht zu jedem Fehler, den er macht. Er arbeitet unheimlich hart, hinterfragt sich stets und weiß genau, wo er sich noch verbessern kann. Egal, ob er ein Rennen gewinnt oder verliert.
Frage:Sie haben gesagt, Vettel stünde mit dem vierten Titel auf einer Stufe mit Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio. Was bringt Sie zu dieser Einschätzung?
Antwort:Man hat mich gefragt, ob man ihn mit diesen Jungs vergleichen kann. Wenn er also wirklich seinen vierten WM-Titel gewinnt, dann muss man das natürlich. Es gibt nur ganz wenige, die das geschafft haben. Prost, Schumacher und Fangio. Und nur zwei davon haben es in Serie geschafft. Das erreicht zu haben, gegen herausragende Gegner wie Fernando Alonso, Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen oder Mark Webber, dazu in einer Zeit mit konstanten Regeln und ohne große Möglichkeiten, sich einen technischen Vorteil durch mehr Tests oder einen anderen Reifenlieferanten zu verschaffen, steigert den Wert seiner Erfolge noch.
Frage:Wie würde denn ein Vergleich zwischen Vettel, Schumacher, Prost und Fangio ausfallen?
Antwort:Sebastian ist einzigartig. Es ist sicher schwer, diese Vier zu vergleichen, gerade über die Generationen hinweg. Sebastian Vettel ist Sebastian Vettel. Wie er seiner Arbeit nachgeht, wie er seine Erfolge erreicht hat und wie er fährt, das ist einmalig.
Frage:Zuletzt gab es einigen Wirbel um Vettels lockere Sprüche und die Kritik, seine Dominanz sei langweilig. Versucht die Konkurrenz mehr denn je, Vettel zu attackieren und zu verunsichern?
Antwort:Es ist Sport. Fahrer und Teams werden immer versuchen, Druck aufzubauen und sich gegenseitig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Seb ist eben ein echter Typ, der auch mal ein paar Sachen sagt, die dann Reaktionen hervorrufen. Es ist aber letztlich nicht seine Aufgabe, eine gute Show zu liefern. Wir bezahlen ihn dafür, Rennen zu gewinnen. Und das macht er.
Frage:Vettel hat 34 Grand-Prix-Siege und wohl bald vier Titel. Wo führt das noch hin?
Antwort:Er hat eine leuchtende Zukunft vor sich. Er wird immer noch besser, hat eine unglaubliche Leidenschaft und Entschlossenheit. Es ist nicht so, dass er den Fuß vom Gas nimmt, weil er einen Titel gewonnen hat oder drei. Er strebt danach, besser zu werden. Er kämpft darum, noch mehr zu erreichen. Er ist hungrig und ehrgeizig. Ich glaube, er hat die besten Jahre noch vor sich.
Frage:Kann er alle Rekorde von Michael Schumacher brechen?
Antwort:Es ist unmöglich, die Zukunft vorauszusehen. Hat er die Fähigkeiten dazu? Das hat er wohl im ersten Teil seiner Karriere schon gezeigt. Werden es ihm die Umstände erlauben, das zu erreichen? Keine Ahnung. Niemand von uns hat geglaubt, dass Schumachers Rekorde während unserer Lebenszeit auch nur annähernd in Gefahr gebracht werden könnten. Und es ist ja auch noch ein ziemlich weiter Weg für Sebastian, das zu schaffen, was Michael erreicht hat.
Frage:Einige sagen, Vettel müsse Red Bull verlassen, um noch mehr Anerkennung zu erfahren. Was meinen Sie?
Antwort:So etwas ist immer leicht dahingesagt. Fakt ist, dass Jim Clark alle seine Erfolge mit demselben Team gefeiert hat. Jackie Stewart hat seine drei Titel im selben Rennstall gewonnen, Ayrton Senna auch. Sebastian will im bestmöglichen Umfeld sein, das ihm die größte Chance auf Siege bietet. Red Bull hat das nun schon seit einiger Zeit getan und will das noch für viele weitere Jahre tun.