Vettel überwältigt: „Das ist etwas ganz Besonderes“
Austin (dpa) - Nach seinem historischen Triumph gönnte sich Sebastian Vettel ein paar hochprozentige Drinks. Ausgiebig feierte der unaufhaltsame Formel-1-Rekordjäger seinen achten Saisonsieg in Serie.
Der ganze Druck war vorerst von ihm abgefallen.
Weit später als üblich schlich der vierfache Weltmeister ins Bett, schlief gründlich aus und schaute sich dann in aller Ruhe die Millionenstadt Austin an. Unmittelbar nach dem Großen Preis der USA hatte Vettel diesen magischen Moment noch nicht richtig fassen können. Die Beteuerungen im Vorfeld, diese Bestmarke beschäftige ihn nicht so sehr und über seine Erfolge werde er vielleicht mit 50 oder 60 sinnieren, waren wie weggeblasen. Bei der Pressekonferenz wischte sich Vettel bewegt ein paar Tränen aus dem Gesicht. Es fiel dem sonst gern den coolen Lausbuben gebenden Hessen sichtlich schwer, seine Gefühle zu kontrollieren.
„Das ist der Wahnsinn“, meinte der Red-Bull-Star. „Jetzt haben wir einen Rekord eingestampft, der eigentlich für die Ewigkeit hätte bestehen sollen.“ In den verschiedensten Varianten wiederholte Vettel mehrmals, wie besonders diese Bestmarke sei und wie schwer er dies momentan begreifen und einordnen könne. „Das ist ein Tag, den wir alle nicht vergessen werden“, versicherte Vettel ergriffen. „Das, was wir hier erlebt haben, ist etwas ganz Besonderes.“
So bewertete das auch die Presse. „Vettel verschlingt den Planet Schumacher“, schrieb das spanische Blatt „Marca“ deftig. „Die Realität geht nun über jede Vorstellungskraft hinaus: Dieser Junge ist in der Lage, die Geschichte der Formel 1 umzuschreiben“, meinte „La Stampa“ aus Italien salbungsvoll.
Vor neun Jahren hatte Michael Schumacher sieben Saisonsiege in Serie geschafft - eine Marke, die unerreichbar schien. Bis eben dieser Vettel kam. Und beim Saisonfinale am kommenden Sonntag in Sao Paulo kann der neue Dominator zwei weitere Edel-Rekorde einstellen.
Gewinnt Vettel auch den Großen Preis von Brasilien - wofür alles spricht - zieht er mit Schumacher bei den Saisonsiegen gleich. Der siebenfache Champion und 91-malige Grand-Prix-Gewinner aus Kerpen hatte 2004 insgesamt 13 Rennen für sich entschieden. Und der Uralt-Rekord des Italieners Alberto Ascari wackelt ebenfalls. Vor 60 Jahren glückten dem Ferrari-Fahrer neun Siege hintereinander - allerdings auf zwei Saisons (1952 und 1953) verteilt.
Vettels außergewöhnliche Emotionalität erinnerte stark an Schumachers Gefühlsausbruch im September 2000 in Monza. Nachdem der Ferrari-Pilot ausgerechnet beim Heimrennen der Scuderia die 41 Siege des 1994 in Imola tödlich verunglückten Ayrton Senna eingestellt hatte, übermannten den sonst so kontrollierten Kerpener die Gefühle.
Dass sein Kumpel sich wegen eines verlorenen Rekords grämen könnte, hält Vettel für undenkbar. „Ich habe mit Michael vor ein paar Wochen gesprochen und glaube, dass er glücklich ist mit dem, was er erreicht hat. Er schien ziemlich relaxt.“ Vettel wies auf die unzähligen Rekorde seines einstigen Jugendidols hin: „Ich denke, viele werden ewig halten. Diesen nahe zu kommen und jetzt einen davon gebrochen zu haben, ist außergewöhnlich.“
Seit dem Großen Preis von Belgien am 25. August hat Vettel alle Grand Prix gewonnen, meist sogar fast spielerisch. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali bezeichnete nach der erneuten Demütigung den zweiten Vizetitel für Fernando Alonso in drei Jahren als „kleine Belohnung angesichts der Dampfwalze Red Bull“. Der Spanier Alonso war „sehr stolz“ über den zweiten WM-Platz. Er sei praktisch „der Erste unter den "Sterblichen" hinter Red Bull“.
Teamchef Christian Horner freute sich über „die unglaubliche“ Leistung des Teams: „Sebastian hat einen neuen Rekord aufgestellt und wurde dabei von Mark auf dem Podium begleitet.“ Der Australier Webber komplettierte in seinem vorletzten Formel-1-Rennen als Dritter die Glückseligkeit des Branchenführers.
Vom Saisonfinale in Sao Paulo sprach an diesem historischen Tag keiner in der Red-Bull-Truppe. Vettel versicherte nur allgemein: „Auch wenn wir die WM im Sack haben, haben wir keine Probleme, uns zu motivieren.“ Am Dienstag fliegt er nach Brasilien - und am Mittwoch steht dort leichtes Training auf seinem Programm.