Raubüberfall Weitere Formel-1-Zukunft in São Paulo?

São Paulo (dpa) - Polizisten patrouillierten auf der Avenida Interlagos, Wachen standen vor den Zufahrtsstraßen der Favelas. Nach dem bewaffneten Raubüberfall auf einen Mercedes-Teambus verwandelten die Behörden von São Paulo das Gebiet um das Autódromo José Carlos Pace in eine Hochsicherheitszone.

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„Es sah aus, als sei Bürgerkrieg ausgebrochen, so viel Polizei war unterwegs, als wir zu Strecke kamen“, berichtete Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Dennoch kam es am Samstagabend dort zu einem Zwischenfall, wo nicht mehr so viel Polizei war. Wie Sauber-Rennstrategin Ruth Buscombe auf Twitter mitteilte, wurde der Wagen mit Mitarbeitern des Schweizer Rennstalls gerammt. Ein anderes vor ihnen fahrendes Auto soll versucht haben, den Wagen aufzuhalten. Offenbar kamen alle mit dem Schrecken davon, auf Nachfrage wollte das Team nicht mehr zu dem Vorfall sagen, der sich rund 24 Stunden nach der Attacke auf einen Mercedes-Teambus ereignete.

Nachdem am Freitagabend ein gepanzerter Wagen mit Mitgliedern des Internationalen Automobilverbandes (FIA) einem Überfall noch hatte entkommen können, wurden die acht Insassen des Mercedes-Teambusses gegen 22.00 Uhr Ortszeit gestoppt und mit Waffen bedroht.

Einige mussten aussteigen und sich auf den Boden legen. „Es müssen wirklich beängstigende Momente gewesen sein“, sagte Wolff. „Ich bin seit zehn Jahren in der Formel 1, und das Frustrierendste ist, dass es jedes Jahr irgendeinem im Fahrerlager passiert“, betonte Mercedes-Star und Vierfach-Weltmeister Lewis Hamilton. Nicht minder erschüttert war sein Teamkollege Valtteri Bottas - im Wagen saßen Mechaniker des Finnen. Die Pole holte er anschließend für sie.

São Paulos Bürgermeister spielte die Angriffe herunter. „Was passiert ist, kann nicht gerechtfertigt werden, aber ich habe schon schlimmere Fälle an Rennstrecken der ersten Welt gesehen“, sagte João Doria am Sonntag. „Es war das erste Mal, dass wir so einen Fall hatten - eine Risikosituation. Daraus lernt man.“

Bereits vom Samstag an hatte sich die Zahl der Beamten rund um die Strecke spür- und sichtbar massiv erhöht. Schwarze Einsatzfahrzeuge der Zivilpolizei fuhren Streife. Praktisch allgegenwärtig waren Sicherheitsbeamte im unmittelbaren Bereich um den Kurs.

Das alles kommt zur Unzeit für eine weitere Formel-1-Zukunft in Brasilien. Der Vertrag endet nach 2020, schon nächste Saison wird erstmals seit 1969 kein Fahrer aus der Nation von Rennlegende Ayrton Senna mehr am Start stehen.

Auch nicht, wenn es wieder nach São Paulo geht. Die brasilianische Wirtschaftsmetropole zählt sogar wieder zu den sicheren Städten des Landes. 2000 lag die Mordrate in der größten Stadt Brasiliens statistisch bei 51,23 pro 100 000 Einwohnern, 2016 bei 7,25 Tötungsdelikten. Allerdings wurden im vergangenen Jahr 159 633 Raubüberfälle in São Paulo registriert, das entspricht einer Rate von 1371 je 100 000 Einwohner. Die Zahl der Überfälle stieg zuletzt.

Die Formel 1 kennt das Problem. Zu den heftigsten Erlebnissen bis zum Übergriff am Freitag zählte ein Überfallversuch auf Jenson Button 2010. Verletzt worden war auch damals niemand. Der Fahrer des Wagens mit dem Weltmeister von 2009 hatte schnell reagiert. In den Jahren danach wurden Button und sein damaliger McLaren-Teamkollege Hamilton unter anderem in gepanzerten Wagen und mit Polizeieskorte gefahren.

Vor einem Jahr hatte der damalige Formel-1-Chef Bernie Ecclestone auf zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen verzichtet - trotz der vorherigen Entführung seiner Schwiegermutter. Brasilien sei nicht so gefährlich, wie die Leute dächten. Ecclestones dritte Ehefrau ist Brasilianerin.

„Vielleicht war unsere Herangehensweise in den vergangenen Jahren ein bisschen leichtfertig, weil Brasilien einfach ein cooles Land ist“, sagte Wolff. Auch Hamilton lobte die Energie, die Brasilien versprüht und machte sich für das Rennen stark. Hamilton, der nach eigenen Angaben noch nie eine gefährliche Situation in Brasilien erlebt hat, forderte aber auch die Sicherheit für alle im Fahrerlager.

Nur wie? „Es sollte eigentlich nicht so sein, dass wir gepanzerte Autos, Waffen und Beamte brauchen, um sicher von der Strecke zum Hotel zu kommen. So sind aber die Umstände“, sagte Wolff.