Wie konnte das passieren? - Fragen zur Red-Bull-Krise
Melbourne (dpa) - Der Formel-1-Auftakt steht für Sebastian Vettel unter anderen Vorzeichen als in den Jahren zuvor. Diesmal hinkt das siegverwöhnte Weltmeisterteam der Konkurrenz hinterher - zumindest nach den Eindrücken der Testfahrten.
Welche Sorgen hat Red Bull?
Bei den Testfahrten traten mehrere Probleme auf. Die größten Schwierigkeiten bereitet der neue Antrieb der Autos. Red Bull bekommt den Motor und die damit verbundenen Bauteile wie in den Titeljahren zuvor von Renault. Nur, dass es nicht mehr das Erfolgstriebwerk von 2010 bis 2013 ist, sondern ein komplett neues. Renault musste wie Mercedes und Ferrari einen Turbomotor bauen plus Hybridsystem ERS, das 160 Zusatz-PS liefert. Doch Red Bull hatte bei den Tests auch noch weitere Probleme, unter anderem mit der Kühlung. Teilweise wurden Behelfslöcher in die Verkleidung gebohrt. Einige Male brannte es im Heck des neuen RB10.
Warum haben Red Bull und Renault die Probleme nicht in den Griff bekommen?
Bei den Testfahrten wagten Renault und Red Bull laut „auto motor und sport“ gar nicht, die volle Leistung abzurufen - es fehlten auf der Zielgeraden 80 der 160 Zusatz-PS. Die Folge: Red Bull kam nur auf 317 Stundenkilometer, Ferrari mit komplettem Schub auf rund 339. Eine Schwierigkeit, die alle Teams haben, ist die noch größere Komplexität der Autos als in den Jahren vorher. Reparaturen dauern deutlich länger, die Handgriffe sind noch nicht automatisiert. In den Autos stecken bis zu 40 Elektronik-Boxen. Tritt irgendwo ein Problem auf, steht das ganze Auto womöglich still. Und den ganzen Wagen fix noch einmal umbauen, ist völlig unmöglich.
Wie verhält sich Vettel?
Er (er)trägt es mit Fassung. Natürlich ist Vettel unzufrieden. Vorwürfe ans eigene Team oder Renault würden ihn aber auch nicht zum fünften WM-Triumph in Serie bringen. Über die WM momentan zu reden, macht für ihn keinen Sinn. In Melbourne heißt das Ziel: Ins Ziel kommen und darauf hoffen, ein paar Punkte zu ergattern.
Was sagen andere Hauptdarsteller des Rennstalls?
Für die Abteilung Klartext ist immer Motorsportberater Helmut Marko zuständig. „Der Saisonauftakt kommt für uns mindestens zwei Monate zu früh“, bekannte der Österreicher. Besitzer Dietrich Mateschitz betont vor allem die Herausforderungen, vor denen das Team steht. Für ihn ist der Wagen weiterhin „state of the art“. Und er betont: „Wir empfinden die derzeitige Situation gar nicht als so schwer.“ Von Stardesigner Adrian Newey ist wenig zu hören: Er arbeitet lieber weiter an den dringend nötigen Verbesserungen.
Kann Red Bull den Rückstand aus den Testfahrten überhaupt aufholen?
Durch die fehlenden Kilometer fehlen wichtige Daten: Wie verhält sich das Auto unter diesen und jenen Bedingungen. Mercedes hatte als erstes Team eine Rennsimulation absolviert, auch eine Qualifikationsrunde übten die Silberpfeile als erste. Red Bull muss allen voran nun an den Grand-Prix-Freitagen die Infos sammeln.
Warum baut Red Bull nicht einfach ein neues Auto und fährt weitere Testkilometer?
Das ist nicht erlaubt. Die Motorenhersteller müssen ihre Antriebseinheiten beim Weltverband FIA prüfen lassen und dürfen diese nach der endgültigen Abnahme vor Saisonstart nur noch in sehr engen Grenzen verändern. Testfahrten sind aus Kostengründen streng limitiert. Zumindest gibt es in diesem Jahr wieder einige Probefahrten während der Saison, nachdem dies zuletzt ebenfalls verboten war.
Wie sehr kostet die Konkurrenz die Lage beim Titelverteidiger aus?
Bislang gar nicht. Ob Ferrari oder Mercedes, der Tenor ist immer dergleiche: Bloß nicht Red Bull voreilig abschreiben, ein viermaliger Champion meistert auch diese Phase. Die Zurückhaltung macht aber auch Sinn. Denn: Wirklich gefeit vor Problemen, sprich Ausfällen mit den neuen Autos, ist kein Team.