Geliebt, gehasst: Sachsenring polarisiert Fahrer & Fans
Hohenstein-Ernstthal (dpa) - Die einen lieben ihn und zählen die Stunden, um dorthin zu kommen. Die anderen hassen ihn und sind froh, wenn sie wieder abreisen können: Der traditionsreiche Sachsenring spaltet seit Jahren die sonst so verschworene Gemeinschaft zwischen Motorrad-Fans und den Piloten.
Die unvergleichliche Atmosphäre auf der einen Seite, die langsame, winklige und durchaus nicht ungefährliche Strecke auf der anderen Seite machen das Phänomen Sachsenring aus. „Es gibt wohl kaum einen Fahrer, der den Sachsenring als Lieblingsstrecke bezeichnet“, sagt der deutsche MotoGP-Pilot Stefan Bradl ausgerechnet über seinen Heim-Grand-Prix. Um sofort aber zu ergänzen: „Das bezieht sich einzig auf das Layout der Strecke. Es gibt halt mindestens eine Linkskurve zu viel und eine Rechtskurve zu wenig. Was die Stimmung anbelangt, sind alle besonders gern hier.“
Im Motorradland Sachsen hört man das mit gemischten Gefühlen. Natürlich möchte man auch den Stars der Szene beste Bedingungen anbieten, doch der Sachsenring ist nun mal so, wie er ist. Und das hat durchaus seinen Reiz, auch wenn gerade die 1000 Kubikzentimeter starken Maschinen nicht wirklich ausgefahren werden können. Der neunmalige Champion Valentino Rossi (Italien) bezeichnete den Sachsenring deshalb schon mal als „Micky-Mouse-Kurs“.
Kann sich das italienische Mugello mit dem Superlativ „Strecke mit der höchsten Geschwindigkeit“ (340 km/h) rühmen, so hat der Sachsenring nach Ansicht der Fahrer die gefährlichste Kurve aller WM-Strecken. Die Rechtskurve 11 ist wegen der nach zahlreichen Linkskurven abgekühlten Reifen und den daraus resultierenden Problemen beim Beherrschen der Maschinen derart in Verruf geraten, dass sogar ein Umbau in Betracht gezogen wurde. Der ist nach mehreren Sicherheitstests nun aber wieder vom Tisch.
Doch der Sachsenring hat neben seiner langen Tradition mit das begeisterungsfähigste Publikum. 1927 wurde erstmals ein Rennen auf dem Sachsenring - das damalige Badberg Vierecksrennen - ausgetragen. Über 140 000 Zuschauer verfolgten die Wettkämpfe. Den bis heute ungebrochenen Zuschauerrekord erlebte die Rennstrecke 1950, als eine halbe Million Fans zur gesamtdeutschen Motorrad-Meisterschaft gen Hohenstein-Ernstthal pilgerten. Bereits von 1961 bis 1972 wurden auf dem Sachsenring Motorrad-WM-Läufe ausgetragen. Danach untersagte die DDR-Staatsführung WM-Rennen. Offiziell wegen der fehlenden Sicherheitsvorkehrungen, inoffiziell aber waren die Anfeuerungsrufe der DDR-Fans für die bundesdeutschen Stars um Dieter Braun der Grund.
Nach dem Umbau des Sachsenrings zu einem Verkehrssicherheitszentrum mit nicht permanenter Rennstrecke 1995 wurden wieder Wettkämpfe ausgetragen. 1998 kehrte die WM an den Traditionskurs zurück und wird auch mindestens bis 2016 dort jährlich Station machen. Rund 200 000 Zuschauer lassen sich jährlich die Rundenhatz der Stars nicht entgehen.