„Großes Abenteuer“: F1 im aufstrebenden Indien
Greater Noida (dpa) - Allen Unkenrufen zum Trotz ist die neue Formel-1-Rennstrecke in Indien rechtezitig fertig. Die Fahrer loben sie in höchsten Tönen. Abenteuer und Chaos erleben die Fahrer abseits des Kurses.
Selbst Sebastian Vettel musste noch einmal Hand anlegen. Der Superstar der Formel 1 schnappte sich spontan eine der vielen Sprühmaschinen auf dem soeben fertiggestellten Buddh International Circuit nahe Neu Delhis und färbte den Staub an der Strecke grün. „Das bisschen Schmutz, was jetzt noch drauf ist, wird morgen runtergefegt“, witzelte der kesse Doppel-Weltmeister anschließend und nahm die Unzulänglichkeiten rund um den neuen Formel-1-Kurs mit Humor.
Plötzliche Stromausfälle während der Pressekonferenz, Dreck und Staub an der Rennstrecke, Smog und teilweise bittere Armut - die Stars wurden mit allerhand neuen Erfahrungen vor ihrem Debüt auf dem aufstrebenden Subkontinent konfrontiert. „Es ist Chaos, aber organisiertes Chaos“, sagte Vettel. Nachdem der Hesse in seinem Red Bull gerade erst wieder zur Einzel- und Team-Weltmeisterschaft gerast war, blieb im Vorfeld der Indien-Premiere Zeit für Land und Leute.
Das, was Vettel dabei zu Gesicht bekam, machte den Champion nachdenklich. „Die Leute haben nichts und die Kinder springen doch fröhlich über die Straße. Das gibt dir teilweise eine andere Sicht auf die Dinge“, berichtete der 24 Jahre alte Millionär.
Die Formel 1 im ehemaligen Entwicklungsland Indien - für die Fahrer ist es „ein großes Abenteuer“, wie es Marussia-Virgin-Pilot Timo Glock ausdrückte. Angesichts des Elends, das Teams und Fahrer abseits der Strecke zu Gesicht bekommen, wagte der Wersauer als nahezu einziger den Gedanken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, „fünf Jahre später“ den Sprung in das aufstrebende Indien zu wagen.
Doch den knallharten Wirtschaftsinteressen von Chef-Vermarkter Bernie Ecclestone, der beteiligten Autokonzernen und der Teams selbst zuliebe fahren die Piloten am Sonntag erstmals um WM-Punkte in Indien. Alle wollen von der boomenden Wirtschaft hier profitieren. „Indien ist ein wichtiger und stark wachsender Markt für uns und unsere Kollegen vor Ort werden die Formel-1-Premiere mit unserer Unterstützung entsprechend nutzen“, sagte Merecedes-Motorsportchef Norbert Haug der Nachrichtenagentur dpa. Sprich: Mit Hilfe der Formel 1 sollen künftig mehr schwäbische Autos in Indien verkauft werden.
Auch das Land selbst soll von der Königsklasse profitieren. Haugs Schützling Nico Rosberg verwies etwa auf die für gut 290 Millionen Euro erbaute Rennstrecke. „Wie viele Menschen hier dran verdient haben ist doch toll“, sagte der Wahl-Monegasse.
Zwar bemängelte der als gelernter Gerüstbauer handwerklich begabte Glock neben der Strecke einige Baumängel („Wenn ich da hinten sehe, dass sich die Pflastersteine schon wellen, dann weiß ich, dass das alles sehr schnell gehen musste“). Doch aller Improvisation zum Trotz: Der Kurs wurde rechtzeitig fertig und begeistert die Fahrer.
„Der Kurs hat alles, was wir lieben“, lobte Rekord-Weltmeister Michael Schumacher die vom deutschen Architekten Hermann Tilke entworfenen Anlage. Viele Kurven, eine lange Highspeed-Gerade und viele Möglichkeiten zum Überholen - für Vettels Teamkollegen Mark Webber einfach eine „großartige Mischung“.
Dass in Greater Noida Renngeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometer pro Stunde erwartet werden und die Strecke zur zweitschnellsten des Jahres nach Monza werden soll - für die Piloten kein Problem. „Wir leben davon, die Autos ans Maximum zu bringen und fühlen uns sicher dabei. Das wird auch diesmal so sein“, sagte Schumacher. Die Fahrer sind sich des stetigen Risikos bewusst - nach den Todesfällen von Dan Wheldon in der IndyCar-Serie und Motorradfahrer Marco Simoncelli mehr denn je.
„Die totale Sicherheit wird es nie geben“, sagte Schumacher. „Ich bin wirklich richtig mitgenommen durch das, was passiert ist, aber ich muss leider sagen: So läuft das Leben.“