„Hausherr“ Vettel raubt Konkurrenz den Nerv

Nürburgring (dpa) - Auf der atemlosen Jagd nach Sebastian Vettel hilft seinen Verfolgern wohl nur noch ein Wunder. Vor der Sommerpause kann der dreimalige Formel-1-Weltmeister den taumelnden Konkurrenten im Titelkampf den nächsten Tiefschlag versetzen.

Nach seinem nervenstarken Premierensieg beim Deutschland-Rennen stieß Vettel aber erst noch im kleinen Kreis an, schon stand der nächste Termin auf dem Programm. Der Heppenheimer macht weiter Tempo.

Unter der Dominanz des Red-Bull-Piloten ächzen Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und die Silberpfeil-Piloten gewaltig. „Um zurückzukommen, musst du zwei oder drei Rennen gewinnen, im Moment sieht es aber nicht danach aus“, stellte Ferrari-Star Alonso bitter fest. Auch daher erkennt Vettels Teamkollege Mark Webber, dass sich die Fahrer-WM „allmählich von jedem entfernt“.

Nur von Vettel nicht, der mit Red Bull einen starken Rennstall mit großen Ressourcen hat. Das Weltmeister-Team weiß: Je mehr die Konkurrenz ins Hintertreffen gerät, desto weniger wird sie sich auf die weitere Entwicklung der Autos für 2013 konzentrieren, sondern die Bemühungen für die völlig neuen Wagen mit Turbomotoren für die kommende Saison forcieren. Vorteil Vettel.

An den Kräfteverhältnissen dürfte sich auch trotz neuer Reifen ab dem nächsten Grand Prix in Ungarn Ende Juli kaum etwas ändern. Vettel hat längst den Tunnelblick für Titel Nummer vier. „Es ist eigentlich ziemlich Wurst, wo die anderen ins Ziel fahren, man schaut da nicht wirklich auf den Fernando oder auf Ferrari im Speziellen oder auf den Kimi und konzentriert sich auf sein eigenes Rennen“, sagte ein erleichterter Vettel nach seinem ersten Sieg auf europäischem Boden nach fast 22 Monaten.

Der 26-Jährige will die vorzeitige Entscheidung erzwingen. „Wir greifen jedes Jahr an. Wir versuchen wieder ganz vorne reinzufahren“, stellte Vettel vor dem Ungarn-Rennen in drei Wochen klar. Mit 157 Zählern hat er satte 34 Punkte Vorsprung auf Alonso, Räikkönen fehlen ganze 41 auf den WM-Führenden. Als „Hausherr“ beschrieb die französische Sportzeitung „L'Équipe“ Vettel nach seiner Triumphfahrt. Im Anschluss hatte Vater Norbert seinem Filius voller Rührung zugejubelt - ahnt er schon den nächsten WM-Triumph?

Die Konkurrenz wirkt zumindest ein wenig ratlos. Die Scuderia ist im Qualifying zu schwach, zu aufreibend sind Alonsos Aufholjagden um bessere Platzierungen dann im Rennen.

Unfreiwillig entfernt sich auch Mercedes wieder von der Formel-1-Spitze. Da scheint göttlicher Beistand nötig. „Wir müssen jetzt hart arbeiten und hoffen und beten, dass die neuen Reifen an unserem Auto funktionieren“, meinte Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. Nur Fünfter wurde der Brite nach seiner Pole Position, fast eine halbe Minute hinter Vettel. Nach zuvor zwei Siegen binnen drei Rennen musste sich Teamkollege Nico Rosberg gar mit Platz neun begnügen. „In den kommenden Wochen haben wir viel zu tun, um sicherzustellen, dass wir in Ungarn wieder in guter Form sein werden“, sagte der Wiesbadener.

Die Aussichten sind nicht die besten. Die heiße Puszta dürfte den Silberpfeilen mit ihren Reifenproblemen bei hohen Temperaturen nur bedingt entgegenkommen. Und dass Mercedes nach den Privattests mit Pirelli von den Testfahrten in Silverstone vom 17. bis 19. Juli ausgeschlossen ist, hilft da erst recht nicht.

Die Diskussion um Pirelli ist erstmal verstummt, doch die Formel 1 steuert schon auf ihre nächste Sicherheitsdebatte zu. Ein Kameramann erlitt mehrere Knochenbrüche, nachdem ihn ein loses Rad von Webbers Red Bull bei einem Reifenwechsel getroffen hatte. „Ich denke, jeder in der Boxengasse sollte einen Helm tragen“, regte Mercedes-Teamchef Ross Brawn an. „Die Mechaniker müssen Sicherheitskleidung und Helme tragen, und vielleicht ist es an der Zeit, dass auch andere Leute, die in der Boxengasse arbeiten, das machen“, pflichtete ihm Teamchef Christian Horner von Red Bull bei.

Von einer Vorentscheidung im Titelrennen will der Brite nichts wissen. „Uns steht noch ein quälend langer Weg bevor“, warnte Horner. Dennoch bewertet er Vettels 30. Karrieresieg im Eifel-Krimi als „sehr positiv für die Weltmeisterschaft.“ Vettel wird das gerne hören. Er weiß das aber auch selbst.