Kultstrecke und Wirtschaftsfaktor - Sachsenring ist 85
Hohenstein-Ernstthal (dpa) - 2011 stand der Grand Prix am Sachsenring vor dem Aus, nun feiert die Rennstrecke ihr 85-jähriges Bestehen doch noch mit einem WM-Lauf. Und es wird nicht der letzte sein. Die Vertragsverlängerung bis 2016 ist immens wichtig für die Region.
Wohl nicht von ungefähr wagt Oberbürgermeister Erich Homilius (parteilos) den Vergleich mit dem Ruhrpott. „So wie die Borussia zu Dortmund gehört, so gehört der Grand Prix zum Sachsenring“, sagt der Rathaus-Chef von Hohenstein-Ernstthal.
Dort ist vor 170 Jahren Winnetou-Erfinder Karl May zur Welt gekommen, als auflagenstärkster Autor so etwas wie der deutsche Meister der Schriftsteller. Und dennoch hätte es sein können, dass Hohenstein-Ernstthal rechtzeitig vor dem WM-Lauf am Wochenende umbenannt worden wäre - und jetzt genauso wie die berühmte Rennstrecke hieße. Da die Einwohner des Nachbarortes Oberlungwitz aber Ende 2011 die Fusion zur „Großen Kreisstadt Sachsenring“ ablehnten, ist der neue Name kein Thema mehr.
Das erste Rennen auf dem „Badberg-Viereck“ fand 1927 statt. 1934 erlebte der Ring den Großen Preis von Deutschland, 1936 den Grand Prix von Europa. 1961 wurde dort erstmals ein Weltmeisterschafts-Lauf gestartet. Von 1991 bis 1996 ruhte der Rennbetrieb, danach ging es stetig aufwärts. „Der Sachsenring ist nicht nur eine Attraktion, er erweist sich als einmaliger Wirtschaftsfaktor für die Region“, sagt der Präsident des Landestourismusverbands Sachsen, Andreas Lämmel.
Stolz verweist er auf die Statistik: Von 1998 bis 2011 sei die Besucherzahl zum Motorrad Grand Prix von 142 000 auf 230 000 geklettert. Nur knapp die Hälfte der Zuschauer komme aus Sachsen, der Rest aus anderen Bundesländern, immerhin fünf Prozent aus dem Ausland. Allein zum Grand Prix lag der Umsatz durch Ticketverkäufe und Ausgaben der Besucher in und um die Rennstrecke nach Angaben des Verbandes zuletzt bei 22 Millionen Euro. Hinzugerechnet werden müssen 1,4 Millionen Euro, die Rennteams und Medien in der Region lassen.
Auch Gaststätten machen während des Grand-Prix-Wochenendes das Geschäft des Jahres. Kamen die Hotels in der Wirtschaftsregion Chemnitz-Zwickau ohne Sachsenring-Rennen nur auf eine Auslastung von 32,5 Prozent, so lagen sie zum Grand Prix laut Statistik zwischen 90 und 100 Prozent. Die Häuser in der Nähe der Rennstrecke sind natürlich lange vorher ausgebucht.
Homilius darf sich zu den Rettern des Grand Prix zählen, als der im Herbst 2011 plötzlich auf der Kippe stand. Der ADAC Sachsen hatte den WM-Lauf aus Kostengründen abgesagt, nachdem das Spektakel in den Vorjahren rund 600 000 Euro Miese verursacht haben soll. Daraufhin formierte sich Widerstand im Internet. Tausende Fans kamen zu Protesten an die Strecke. Schließlich schalteten sich Hohenstein-Ernstthal und andere Kommunen ein, die Landesregierung sagte für Umbauten 1,5 Millionen Euro Fördergelder zu.
Vor einer Woche hat der Sachsenring den Zuschlag für den deutschen WM-Lauf bis 2016 erhalten. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) nannte dies „für die gesamte Region eine große Anerkennung“: „Der Sachsenring ist ohne den Motorrad Grand Prix undenkbar.“ Nun steht aber erst einmal der aktuelle Lauf an. „Wenn die Maschinen losdonnern und noch genug Fans kommen, dann hat sich unsere Vorbereitungsarbeit ausgezahlt“, sagt Homilius. Zu den in diesem Jahr teureren Tickets sieht der Oberbürgermeister keine Alternative: „Die Hauptlast müssen die Fans tragen.“ In diesem leicht chaotischen Ausnahme-Jahrgang wären die Organisatoren schon mit 180 000 Zuschauern zufrieden.