Mercedes erhält Rückendeckung von Reifen-Lieferant
Mailand (dpa) - In der Reifentest-Posse der Formel 1 hat Mercedes Rückendeckung von Hersteller Pirelli erhalten.
Das Werksteam des schwäbischen Autobauers habe aus den umstrittenen Probefahrten in Barcelona keinen Vorteil für die weitere Saison ziehen können, betonte Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery in einer Telefonkonferenz. „Mercedes hat blind getestet. Sie hatten keine Ahnung, was sie testen“, sagte der Brite.
Mit Nachdruck erklärte das italienische Unternehmen, völlig korrekt gehandelt zu haben. Ziel des Tests sei die überfällige Entwicklung des Reifens für 2014 gewesen, Pneus für dieses WM-Jahr seien gar nicht eingesetzt worden. Auch den Weltverband FIA habe man ordnungsgemäß informiert. Zudem wünscht sich Pirelli trotz des aktuellen Ärgers weitere Tests mit anderen Rennställen. „Wir sind schon mit einer Reihe von Teams im Gespräch, und vielleicht werden noch andere verfügbar, weil die Veränderungen für 2014 dramatisch sind“, sagte Hembery.
Die Übungsrunden des aktuellen Silberpfeils auf dem Circuit de Catalunya vom 15. bis 17. Mai mit den Stammpiloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton waren erst kurz vor dem Monaco-Rennen bekanntgeworden und hatten für mächtig Wirbel gesorgt. Red Bull und Ferrari legten Protest bei der FIA ein, weil sie sich benachteiligt fühlen. Hembery konterte: „Den Nutzen hat nur Pirelli und die Formel 1 im allgemeinen.“ Dass Ferrari mit einem älteren Modell ebenfalls testen durfte, bestätigte er indes nicht. Es habe zwar Proberunden mit einem weiteren Team gegeben, Details seien jedoch „vertraulich“.
Rosberg und Hamilton legten bei ihrem Test insgesamt 1000 Kilometer zurück. Dies ist trotz des generellen Testverbots während der laufenden Saison durchaus erlaubt. Allerdings monierte vor allem Sebastian Vettels Red-Bull-Rennstall, nicht wie erforderlich von Pirelli ebenfalls auf die Strecke gebeten worden zu sein. „Andere Teams sind auch eingeladen worden - aber dort hat man offenbar zu langsam reagiert“, erwiderte Niki Lauda, Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams, in der Zeitung „Österreich“. Hembery bestätige, dass Mercedes als erstes Team seine Verfügbarkeit signalisiert hatte.
Auch Lotus ist noch immer verärgert über das Vorgehen von Pirelli. „Wenn uns die gleiche Möglichkeit auf eine rechtmäßige und transparente Art geboten worden wäre und alle Teams einverstanden gewesen wären, hätten wir sie begrüßt“, sagte Teamchef Eric Boullier und fügte hinzu: „Ganz sicher scheint das, was passiert ist, gegen das sportliche Regelwerk zu verstoßen.“
Zusätzliche Brisanz erhielten die Tests durch den anschließenden Sieg von Rosberg in Monte Carlo. Zuvor hatten die Silberpfeile unter den Top-Teams die größten Probleme mit den sensiblen Reifen gehabt. Zudem hieß es zunächst, Mercedes habe in Barcelona die veränderten Gummimischungen getestet, die Pirelli beim nächsten Rennen in Kanada an den Start bringen wollte. In dieser Woche entschied der Hersteller jedoch, die neuen Pneus nur beim Training in Montreal zuzulassen.
Ohnehin habe man Mercedes in Barcelona stets im Dunklen darüber gelassen, welche Reifen gerade getestet wurden. Pirelli habe die Strecke gebucht und den kompletten Ablauf bestimmt. Die Erkenntnisse für das Team lägen daher bei „Null“, sagte Hembery. Dass anstelle eines älteren Silberpfeils das aktuelle Modell zum Einsatz kam, habe Mercedes mit der FIA abgestimmt. Der Verband hatte dagegen in einer ersten Mitteilung erklärt, nicht über die konkreten Pläne informiert gewesen zu sein.
Der Reifenlieferant und das Team haben der FIA volle Unterstützung in dem Verfahren zugesagt. Die Regelbehörde kann den Fall gegebenenfalls an das Internationale Tribunal weiterleiten.
Pirelli sei „sehr enttäuscht“ über den entstandenen Wirbel, sagte Hembery. Schließlich habe man vor allem dringend benötigte Daten für die Reifengeneration der nächsten Saison sammeln wollen. Pirelli verhandelt noch über einen neuen Kontrakt für 2014, müsste aber im Fall einer Verlängerung des Vertrags schon in drei Monaten das Konzept für die künftigen Pneus vorlegen. Wegen der Motorenreform würden sich auch die Reifen „dramatisch verändern“, sagte Hembery. Daher seien zusätzliche Tests unverzichtbar.