Mercedes-Motorsportchef: Glas ist immer eher halbleer

Sotschi (dpa) - Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sieht im fast sicheren Gewinn des Formel-1-Konstrukteurstitels eine Bestätigung für die teure Aufbauarbeit der vergangenen Jahre.

Foto: dpa

Der schon beim Rennen in Sotschi mögliche zweite Team-Triumph in Serie zeige, „dass die Struktur, die wir aufgebaut haben, nicht nur einmal funktioniert, sondern wir den Erfolg wiederholen können“, sagte der Österreicher im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nun sei es an der Zeit, die Millionen-Kosten von Daimler für das Team deutlich zu senken.

Sie können schon in Sotschi den zweiten Konstrukteurstitel perfekt machen. Was würde das für Mercedes bedeuten?

Toto Wolff: Wir müssen drei Punkte mehr als Ferrari machen, das muss uns erstmal gelingen. Ich bin immer sehr vorsichtig mit Vorhersagen. In der Formel 1 kann man schnell auch mal auf dem falschen Fuß erwischt werden. Wenn wir die Konstrukteursmeisterschaft gewinnen, ob in Sotschi oder in Austin, ist es eine Bestätigung, dass die Struktur, die wir aufgebaut haben, nicht nur einmal funktioniert, sondern wir den Erfolg wiederholen können. Das ist natürlich erfreulich.

Im Vorjahr gewannen Sie beide WM-Titel, auch dieses Jahr sieht es danach aus. Werden Erfolge allmählich Routine?

Wolff: Nein, das wird es niemals. In der Formel 1 entscheiden wenige Augenblicke, wenige Details über Sieg und Niederlage. Es ist jedes Wochenende wieder ein neuer Kampf ums Gewinnen. Es mag vielleicht das ein oder andere Mal einfacher aussehen, aber es gibt Wochenenden wie in Singapur, wo uns wenig gelingt. Daher gab es den Gedanken der Routine überhaupt nie. Unsere Haltung ist immer, dass unser Glas eher halbleer ist als halbvoll. Das bringt uns immer wieder dazu, unsere Mannschaft, unsere Struktur zu optimieren.

Wie wichtig wäre der finanzielle Aspekt des Titels in der Teamwertung, die ja über die Verteilung der Vermarktungsmillionen entscheidet?

Wolff: Es ist unser Ziel, das bestmögliche Kosten-Nutzen-Verhältnis für Daimler zu erreichen. Erfolge werden in der Formel 1 finanziell honoriert, also ist dieser Titel wichtig für uns.

Jüngst veröffentlichte Bilanzzahlen zeigen, dass Sie sich den Erfolg einiges haben kosten lassen. Ist Daimler auf Dauer zu dieser Ausgabenpolitik bereit?

Wolff: Das Team operiert als Tochter von Daimler in der gleichen wirtschaftlichen Realität wie der Konzern und andere Unternehmen. Es muss das Ziel des Managements und der Eigentümers sein, unter sinnvollen Kosten den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Das Team hat sich vor einigen Jahren im Gegensatz zu anderen Teams stark auf die Vereinbarung für eine Kostenbremse verlassen. Andere haben frühzeitig ihre Investitionen in Mitarbeiter und Technik raufgeschraubt, das haben wir in den letzten zwei Jahren gemacht. Damit haben wir das aufgeholt, was andere früher schon gemacht haben. Und ich meine alle großen Teams. Mit dem Erreichen der Meisterschaft werden die Kosten für Daimler stark sinken, bis zu einem Punkt, an dem das Team für Daimler kostenneutral ist.

Wann soll das denn sein?

Wolff: Die Formel 1 ist ja nicht statisch. Neue technische Regularien bedeuten neue Kosten. Einen Zeitpunkt festzulegen, ist in diesem enorm umkämpften Sport schwierig. Das Ziel, dass sich die Kosten abwärts bewegen, ist für uns in Stein gemeißelt. Aber Sie dürfen auch den enormen Marketingwert des Teams nicht vergessen, den man den tatsächlichen Kosten gegenüberstellen muss. Das Modell Formel 1 funktioniert, wenn man erfolgreich ist. Die Rendite für die Marke ist absolut gewährleistet.

Wie überrascht waren Sie, dass Bernie Ecclestone jetzt einen Wechsel des Formel-1-Eigentümers für dieses Jahr angekündigt hat?

Wolff: Bernie ist immer für eine Schlagzeile gut. Fakt ist, dass die Formel 1 im Besitz mehrerer Investmentgesellschaften ist. Deren Geschäftsmodell ist es, Beteiligungen zu kaufen und zu verkaufen. Klar ist, dass sich CVC und andere Investoren irgendwann von ihren Anteilen trennen werden. Für uns ist wichtig, dass neue Eigentümer ein langfristiges Interesse an der Formel 1 haben und eine Vision, wie man die Formel 1 gemeinsam mit den Teams weiterentwickeln kann.

Welche Rolle würden Sie sich für Mercedes als aktuellem Branchenführer bei einem Besitzerwechsel wünschen?

Wolff: Die Eigentümer-Frage obliegt den jetzigen Aktionären. Es liegt meiner Meinung nach im Interesse eines potenziellen Käufers, mit den Teams zu sprechen. Aktiv in den Prozess involviert zu werden und unsere Meinung abzugeben, das darf man nicht erwarten.

Wäre mit einem Besitzerwechsel auch der Abschied von Ecclestone verbunden?

Wolff: Bernie Ecclestone ist aus meiner Sicht als Geschäftsführer bestätigt. Es liegt bei den Eigentümern und ihrem Management zu entscheiden, wer die Formel 1 führt. Bernie macht das seit vielen Jahren. Eine Entscheidung darüber ist nicht Sache der Teams.

Mit Blick auf die nähere Zukunft haben Sie sich entschieden, auch künftig keine Motoren an Red Bull zu liefern. Bleibt es dabei?

Wolff: Wir haben dieses Thema bei uns über den Sommer diskutiert und haben auf konkretes Feedback von Red Bull gewartet. Aber das kam nicht. Dann haben wir im September entschieden, dass wir die Gespräche mit Red Bull nicht fortsetzen werden. Daran hat sich nichts geändert.

Wäre es denn überhaupt denkbar, neben Ihrem Team, Williams, Force India und nun auch Manor weitere Teams zu beliefern?

Wolff: Nein. Wir haben uns diese Entscheidung gut überlegt, sie ist auch unter dem Blickpunkt der Kapazität gefallen. Und deshalb ist es auch unsere letzte Entscheidung.

Stichwort Manor. Inwiefern gibt es denn Überlegungen, dem Team nicht nur den Motor zu liefern, sondern auch in Pascal Wehrlein einem Fahrer aus Ihrer Nachwuchsschmiede dort ein Cockpit zu verschaffen?

Wolff: Beim Abschluss des Motorenvertrags war das Thema Fahrer zwar ein Diskussionspunkt, aber nicht Bestandteil des Vertrags. Mit einem Mercedes-Motor und der Technikhilfe von Williams hat Manor jetzt ein wertvolles Cockpit, das sie auch verkaufen könnten. Wir haben die Diskussion über Pascal noch nicht geführt. Wichtig ist, dass er jetzt erst einmal das letzte Wochenende in der DTM gut und fehlerfrei absolviert. Dann werden wir diskutieren, welche Möglichkeiten für ihn zur Verfügung stehen. Aber es geht nicht nur um Manor, es gibt auch andere Optionen in der Formel 1.

ZUR PERSON: Torger Christian „Toto“ Wolff (43) beendete früh seine Rennfahrer-Laufbahn und stieg ins Investmentgeschäft ein. Über eine Beteiligung am Williams-Team kam Wolff 2013 als Motorsportchef zu Mercedes. Der Österreicher ist mit Rennfahrerin Susie Wolff verheiratet.