Sorgt Bradl für Motorrad-Boom? - Experte zweifelt

Leipzig (dpa) - Sympathisch, aber auch schüchtern und medienscheu präsentierte sich Stefan Bradl nach dem Gewinn der Motorrad-Weltmeisterschaft in der Moto2-Klasse. Mit seinem nahezu perfekten Aufstieg in die Königsklasse MotoGP dringt der Zweirad-Pilot in neue Dimensionen seiner Sportart vor.

Doch kann er mit dem ersten WM-Titel für Deutschland nach 18 Jahren einen Boom auslösen? Friedhelm Lange, Motorsportexperte von Sport+Markt, bezweifelt einen Aufstieg wie „Phönix aus der Asche“ und zieht Vergleiche mit Shootingstar Mario Götze vom deutschen Fußball-Meister Borussia Dortmund.

„Götze hat gezeigt, wie ein junger Sportler in ganz kurzer Zeit hohe Sympathie- und Bekanntheitswerte bekommen kann. Das ist natürlich die Basis für einen Partner, um zu sagen, in so einen Sportler investieren wir. Die Leute kennen ihn und verbinden ganz klare Attribute mit ihm wie Ehrlichkeit, Freundlichkeit, Sympathie. Stefan Bradl hingegen fehlen noch unverkennbare Konturen“, sagte Lange in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa und betonte: „So etwas aufzubauen dauert viele Jahre, damit ein Sportler ein unverkennbares Image bekommt und die Industrie sagt, da gehen wir jetzt mit einem Werbevertrag rein.“

Ein Unternehmen im Motorrad-Bereich - sei es Bekleidung, Hersteller oder Zulieferer - wäre sofort denkbar. „Aber wenn wir in die großen Töpfe von Konsumgüterherstellern gucken, dann brauchen sie diese Kontinuität. Die wissen genau, dass ein Weltmeistertitel allein noch nicht reicht.“ Der Marketing-Experte macht das Potenzial vor allem an der fehlenden TV-Reichweite fest. „Im Vergleich zu Boris Becker oder Jan Ullrich früher, die auf den öffentlich-rechtlichen Sendern in der Lage waren, Millionen-Quoten zu liefern, was letztlich eine breitere Masse anspricht und die Basis für einen Boom sein kann, reicht es bei Bradl nicht“, erklärte Lange.

Denn genau auf diese Quoten schauen mögliche Investoren. „Wir betrachten den Wert eines solchen Teams, eines Engagements immer daran, wie oft ist dieses Team bei Fernsehübertragungen zu sehen. Die Sponsoren wollen wissen, wie oft ist unsere Marke präsent. Da hätte das Team Kiefer mit dem geplanten MotoGP-Projekt sicherlich Einbußen gehabt“, meinte Lange.

Als führendes Team der Moto2 habe man bessere Werte als die mittleren Teams in der MotoGP. Daher sei der Wechsel von Bradl zum LCR-Honda-Team sinnvoll, denn die große TV-Abdeckung werde in den kommenden Jahren nicht kommen, da Sport1 TV-Rechtehalter bleibt. Der Spartensender hatte in der Spitze zwar bis zu 900 000 Zuschauer, doch im Schnitt komme man nur auf 352 000.

Die Unterschrift unter dem MotoGP-Vertrag soll in diesen Tagen erfolgen. „Für Bradl gibt es keine andere Möglichkeit, ein zweites Jahr Moto2 wäre wie die zweite Liga. Er ist ein guter Fahrer, er wird seinen Weg gehen und mit seinem neuen Team das Maximum rausholen. Für das Team Kiefer wäre wahrscheinlich erstmal nur ein Mittelfeldplatz möglich gewesen“, sagte Lange, der noch einen Tipp parat hat: „Das Wichtigste ist, dass man nicht versucht, Bradl zu verbiegen. Da bleibt eben die Authentizität. Wenn die schüchtern und zurückhaltend ist, dann sind das auch Attribute, die durchaus interessant sein können. Schwierig wird es, wenn man versucht, aus einem zurückhaltenderen Menschen einen hippen Mode-Menschen zu machen. Da ist Schiffbruch vorprogrammiert.“