Titel-Rechenschieber nicht Vettels Weg

Yeongam (dpa) - Diese Auszeit hat sich Fast-Weltmeister Sebastian Vettel verdient. Zwei Tage taucht der Formel-1-Herrscher in Tokio ab, einfach mal raus aus dem PS-Zirkus und weg von den Fragen nach dem eigentlich schon sicheren vierten WM-Titel.

Vettel mag nichts hören vom 77-Punkte-Vorsprung und der Experten-Arithmetik, wie er denn schon am Sonntag in Japan endgültig wieder Champion sein könnte. „Jetzt das Rechnen zu beginnen wäre nicht nur der falsche, sondern auch nicht mein Weg“, sagte der Red-Bull-Pilot nach seinem Sieg in Südkorea, ehe er sich in die 48-stündige Freizeit verabschiedete.

Am Mittwoch wird Vettel dann bei einem PR-Termin in einer Autofabrik in Yokohama wieder erklären dürfen, warum er bald zu den Ikonen Michael Schumacher und Juan Manuel Fangio aufschließen wird. Nur diesen beiden Ausnahmepiloten war es bislang gelungen, vier Mal nacheinander Weltmeister zu werden. „Er gehört auf diese Stufe“, meinte Teamchef Christian Horner nach Vettels erneut fehlerloser Darbietung im koreanischen Niemandsland.

„Das Niveau, auf dem er seine Leistung abruft, ist in vieler Hinsicht unglaublich“, stellte Horner fest. Von seinen 115 Rennen hat Vettel nun 34 gewonnen, in diesem Jahr schon wieder acht. Zum vierten Mal schaffte der Hesse in Yeongam den höchst seltenen Grand Slam: Pole Position, Sieg, schnellste Rennrunde und nach jedem Umlauf in Führung. Als einziger Fahrer des Feldes hat der 26-Jährige in dieser Saison bislang alle 14 Qualifikationsduelle gegen seinen Teamgefährten gewonnen. „Er fährt wie eine Maschine“, befand Vettels Red-Bull-Vorgänger David Coulthard.

So könnte der Heppenheimer die nächsten drei Rennen auch vom Sofa in seiner Schweizer Wahlheimat verfolgen und würde trotzdem noch immer die WM anführen. Ermüdend sei diese Überlegenheit, maulte Mercedes-Star Lewis Hamilton, der sich an die Glanzzeit von Rekordweltmeister Schumacher erinnert fühlt. Damals sei er stets kurz nach dem Start vor dem Fernseher eingeschlafen, sagte Hamilton. „Ich bin sicher, so geht es vielen Leuten auch heute, zumindest in meiner Familie ist es so“, ätzte der Brite.

Störgeräusche wie diese werden Vettel indes kaum von seinem Weg abbringen. Auch den Wirbel um seinen provokanten Spruch von Singapur, andere Teams würden früher „die Eier in den Pool hängen“ als seine Red-Bull-Crew, und die Debatte um Buhrufe einiger Fans gegen ihn ließ der Titelverteidiger in Südkorea cool hinter sich. „Wir schauen nicht zu weit nach vorn und schauen auch nicht zurück“, erklärte Vettel seine Maxime. Der Weg ist das Ziel.

Da sind selbst Steuerkünstler wie die Ex-Weltmeister Fernando Alonso, Kimi Räikkönen und Hamilton machtlos. Alle drei haben zwar theoretisch noch die Chance, Vettel abzufangen. Die Formkurve aber spricht dagegen. Seit der Sommerpause hieß der Sieger immer Vettel. „Wir können keine Wunder erwarten. Platz zwei in der Konstrukteurswertung ist wahrscheinlich ein realistischeres Ziel“, bekannte Ferrari-Pilot Alonso.

Nur aus Vettels Sicht ist der Nervenkitzel noch nicht völlig aus der Fahrer-WM entwichen. „Es sind immer noch mehr Punkte zu vergeben als unser Vorsprung beträgt“, sagte der Deutsche - und verstieß damit ein wenig gegen das von ihm ausgesprochene Rechenschieber-Verbot. „Es gibt eine Million Möglichkeiten, wann, wo und wie wir die WM gewinnen könnten. Und es gibt noch eine Million Chancen, wie wir sie verlieren können“, meinte Vettel. Das allerdings dürfte eine ziemlich gewagte Übertreibung gewesen sein.