Vettel kein Freund von Stallorder
Greater Noida (dpa) - Sebastian Vettel will es aus eigener Kraft schaffen. Mit möglicher Hilfe vom Teamkollegen im Titelkampf kann er sich nicht anfreunden. Verfolger Fernando Alonso dürfte damit kein Problem haben.
Das Paket spricht aber sowieso für Vettel, findet Kumpel Michael Schumacher.
Mittendrin bemühte Sebastian Vettel auch noch eine buddhistisch Weisheit. „Wir überqueren die Brücke erst, wenn wir sie erreicht haben“, philosophierte der Formel-1-Doppelweltmeister im Fahrerlager von Greater Noida. Drei Tage vor dem Großen Preis von Indien wollte der 25 Jahre alte Red-Bull-Pilot seine Herangehensweise auch nach der Übernahme der WM-Führung nicht ändern. „Wenn Du in der Startaufstellung stehst und auf das Erlöschen der Ampeln wartest, spielt es bis zu einem gewissen Grad keine Rolle, wo Du in der WM-Wertung stehst.“
Vettel hat gut reden. Drei Siege nacheinander, beste Aussichten auch noch zum ersten Mal in seiner bereits famosen Karriere vier Rennerfolge in Serie zu feiern: Vor einem Jahr gewann Vettel die Premiere des Indien-Grand-Prix von der Pole aus. „Ich hoffe, wir können dasselbe Resultat erzielen“, bekräftigte Vettel. Dann würde er seinen Sechs-Punkte-Vorsprung auf Fernando Alonso auf mindestens 13 ausbauen. „Wir sind in einer guten Position, aber in keiner, in der wir uns ausruhen können“, betonte Vettel.
Das trifft vor dem Rennen an diesem Sonntag auf Alonso und Ferrari erst recht zu. „Das ganze Team, nicht nur ich, sondern jeder einzelne hier will diese WM“, sagte er in der Ferrari-Unterkunft. Es sei richtig, dass Red Bull in den vergangenen Rennen sehr stark war, musste Alonso zwar einräumen. Wie kurz zuvor Vettel im Motorhome von Red Bull wies der Spanier aber auf die Höhen und Tiefen aller in diesem bisweilen verrückten Formel-1-Jahr hin.
Alonso wartet allerdings schon seit seinem Sieg - ausgerechnet bei Vettels Heimrennen - am 10. Juli auf dem Hockenheimring auf seinen nächsten Saisonerfolg. Sechs Rennen ist das her, vier kommen noch. „Wenn wir vier perfekte Rennen hinlegen, sind wir ganz dicht an der WM“, meinte der 31-Jährige.
Wer spätestens nach dem Finale am 25. November in Sao Paulo als WM-Triumphator jubeln darf, hängt laut Alonso vom „Paket“ ab. Der Fahrer allein wird das Duell der beiden Doppelweltmeister - Vettel 2010 und 2011, Alonso 2005 und 2006 - nicht entscheiden. Dumm nur für Alonso: „Wenn man die Fakten einfach mal zusammenzählt, kann man ganz klar sagen, dass Sebastian das stärkere Paket hat. Team, Auto, das passt im Moment einfach“, meinte Rekordweltmeister Michael Schumacher. Beleg dafür ist Vettels Asien-Serie mit dem Hattrick zuletzt in Singapur, Japan und Südkorea.
Und auch in Indien will es Vettel aus eigener Kraft schaffen. Im Gegensatz zu Schumacher, der Stallorder als ebenso pragmatisches wie probates Mittel zum Zweck (ein)schätzt, kann Vettel dem weniger abgewinnen. „Es gibt in gewissen Situationen vielleicht auch eine gewisse Logik. Aber ich bin kein großer Freund davon“, betonte Vettel, der sich schon in seinem ersten Titeljahr heiße Duelle selbst mit seinem Stallrivalen Mark Webber geleistet hatte.
Trotz nervenaufreibender Zweikämpfe für die Verantwortlichen am Kommandostand hält auch sein Team nichts von einer Stallregie für die beiden Red-Bull-Piloten. „Man hat bei uns in der Vergangenheit gesehen, wie das Thema behandelt wird, und daran wird sich auch nichts ändern“, meinte Vettel. Alonso wird sich der Hilfe von Felipe Massa indes sicher sein können: Der Vertrag des Brasilianers war jüngst erst um ein Jahr verlängert worden und die Scuderia ist als Freund von Regieanweisungen bekannt.
Im Duell Vettel gegen Alonso könnten aber auch andere noch den beiden Rivalen Punkte abnehmen, zudem hat Kimi Räikkönen als Dritter selbst mit 48 Punkten den WM-Kampf noch nicht aufgegeben. Mit starken Vorstellungen wird sich aber auch Lewis Hamilton von McLaren verabschieden und die Vorfreude bei Mercedes auf sein Kommen weiter verstärken wollen.
Oder Nico Hülkenberg. Nach den Rängen 7 und 6 zuletzt sind die Hoffnungen auch beim viertletzten Saisonrennen groß. Zumal er für das einheimische Force-India-Team fährt. Noch. Nach dpa-Informationen steht sein Wechsel zum Schweizer Sauber-Team längst fest. Er selber wollte darauf aber auch am Donnerstag nicht eingehen. „Kein Kommentar“, antwortete er auf Fragen, ob eine Entscheidung feststehe. Überzeugend klang er dabei nicht. Vettels Spruch mit der Brücke wäre wohl besser gewesen.