Von der Strecke in den Sessel: Vettels Montréal-Mission
Montréal (dpa) - Verrücktes Rennen trifft irre Saison: Die Vorfreude auf den Großen Preis von Kanada ist trotz Fußball-EM bei den Kicker-Fans Sebastian Vettel und Michael Schumacher riesengroß. Für Vettel steht danach aber auch noch ein besonderer Auftritt auf dem Programm.
Als schlecht gelaunter Verlierer möchte Sebastian Vettel nicht auf dem Sessel von Late-Night-Talker David Letterman in New York Platz nehmen. Bevor der Doppelweltmeister der Formel 1 am Montagabend nach dem Grand Prix in Montréal dort auftreten wird, wo auch schon US-Präsident Barack Obama plauderte, will er den weißen Fleck auf der Red-Bull-Landkarte tilgen und mit dem ersten Sieg des österreichischen Rennstalls in Kanada die WM-Spitze zurückerobern. Aber Vettel weiß nach der bisher irren Saison mit sechs unterschiedlichen Siegern in sechs Rennen: „Es kann unheimlich viel passieren, und es ist schwer, etwas vorherzusagen.“
Vor einem Jahr hatte dem Heppenheimer beim verrückten Vier-Stunden-Spektakel in Montréal eine halbe Runde vor Schluss ein Fahrfehler den ersten deutschen Sieg in Kanada seit Michael Schumachers siebtem Streich 2004 gekostet. Und jener trotz unfassbarer Pechsträhne wiedererstarkte Schumacher will nun beim Rennen in Kanada erneut auftrumpfen. „Eine Reise nach Montréal lohnt sich immer. Wollen wir hoffen, dass sie sich für uns diesmal besonders lohnt“, sagte Rekordweltmeister Schumacher.
Der Mercedes-Pilot hat es in diesem Jahr noch nicht geschafft, Teamkollege Nico Rosberg, Vettel und zuletzt dessen Stallrivale Mark Webber sowie Kanada-Gewinner 2011, Jenson Button, WM-Spitzenreiter Fernando Alonso im Ferrari und Überraschungs-Sieger Pastor Maldonado im Williams schon. So viel Abwechslung in den Siegerlisten gab es noch nie.
Prognosen sind zwecklos. Erst recht in Montréal. In den vergangenen zehn Jahren musste 14 Mal das Safety Car ausrücken. Allein fünf Mal beim legendären Rennen vor zwölf Monaten mit einer 125-minütigen Regenunterbrechung.
Damals verpasste Red Bull den ersten Sieg auf dem Circuit Gilles Villeneuve. „Wer weiß schon, ob wir konkurrenzfähig sind, aber wir werden auf Angriffsmodus sein“, versicherte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Bis jetzt kann Red Bull als einziger Rennstall in diesem Jahr zwei Siege vorweisen.
Die Folge ist aber auch: Vettel sitzt der Stallrivale im Nacken. Webber liegt punktgleich hinter dem 24-Jährigen auf Rang drei (beide 73 Punkte). Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug geht jedoch nicht davon aus, dass Vettel durch das interne Duell angeschlagener ist: „Keineswegs. Sebastian wurde nicht umsonst zweimal Weltmeister in Folge.“
An der Spitze der WM-Wertung steht Alonso mit drei Zählern mehr als Vettel und Webber. McLaren-Pilot Lewis Hamilton ist Vierter (63). Und giert nach dem ersten Saisonsieg: „Wir sind weiter voll auf der Jagd nach dieser WM und ich freue mich auf diesen Kampf in Montréal, einem meiner Lieblingsrennen“, meinte der Ex-Weltmeister aus England, 2007 und 2010 konnte er dort gewinnen.
Die aktuelle Konkurrenz ist aber groß und unberechenbar. China-Sieger Rosberg schob sich durch Rang zwei in Monaco auf Platz fünf (59) im Klassement. Der Kurs, benannt nach Kanadas Rennfahrerlegende, ist für Rosberg auch ganz speziell. „Gilles Villeneuve war ein guter Freund und Konkurrent meines Vaters, dadurch ist das Wochenende für mich etwas Besonderes. Ich kann es kaum erwarten, dort zu fahren.“
Das geht allen so. Auch Lotus-Starfahrer Kimi Räikkönen (51) hat gute Erinnerungen an die Strecke am St.-Lorenz-Strom. Der Finne, der in der WM-Wertung auf Platz sechs liegt, gewann dort 2005 und der WM-Siebte Button (45) vor zwölf Monaten das wohl denkwürdigste Rennen in Kanada überhaupt. „Es ist ein extrem stolzer und glücklicher Moment für mich, nach Montréal zurückzukehren“, sagte Button, nachdem er damals vom letzten auf den ersten Platz gerast war. „Die Erinnerung an diesen Sieg trage ich immer mit mir“, betonte Button.