Olympia im Schatten Nordkoreas

Vor den Spielen in Pyeongchang reden die Athleten über die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel — und über Boykotts.

Foto: dpa

Heilbronn. Eines macht Laura Dahlmeier klar: „Das ist ein Thema, das man nicht totschweigen kann.“ Zu heftig sind die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, zu präsent die Nachrichten über den Raketentest Nordkoreas, zu laut die Drohungen von US-Präsident Donald Trump. Nicht nur die fünfmalige Biathlon-Weltmeisterin von Hochfilzen macht sich rund vier Monate vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang Sorgen über die politische Gemengelage. Denn: Die olympischen Stätten liegen nur etwa 100 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt.

„Ich beobachte das schon sehr genau“, sagt auch Dahlmeiers Nationalmannschaftskollege Arnd Peiffer. Der Bundespolizist schiebt jedoch mit dem nächsten Atemzug nach: „Letztlich haben wir als Sportler natürlich überhaupt keine Wahl. Wenn das IOC sagt, wir führen die Spiele durch und erachten Pyeongchang als sicher, dann muss ich da auch hin.“ Nicht zuletzt, weil seine Förderung von Starts, Ergebnissen und Erfolgen abhängt. Ein Boykott als Lösung? So einfach ist die Thematik für den 30-Jährigen nicht. Wissend, dass an Olympische Spiele viele (wirtschaftliche) Faktoren geknüpft sind. „Selbst wenn sich 15 Biathleten einigen würden, das zu boykottieren, dann sind eben 15 weniger da, aber die Spiele finden trotzdem statt. Es ist bei einer Großveranstaltung schwieriger, Druck aufzubauen“, sagt Peiffer.

Schwierig findet es Laura Dahlmeier angesichts der politisch unruhigen Situation im nahen Nordkorea, sich zur Gänze auf ihren Sport zu konzentrieren. „Ich habe schon mal gefragt, ob es eigentlich einen Plan B gibt.“ Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hat dies in einer Stellungnahme negiert. Weil es keine Sicherheitsbedenken gäbe. Für die 24-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen eine nicht nachvollziehbare Antwort. Sie sagt: „Biathlon ist aktuell das Wichtigste in meinem Leben, aber ich möchte jetzt nicht nicht wieder heimkommen, nur weil die Olympischen Spiele in einem Land stattfinden, wo nicht weit entfernt politische Unruhen herrschen und wenn jemand durchdreht — keine Ahnung. Ich hoffe, das IOC trifft entsprechende Sicherungsmaßnahmen.“

Olympischer Gedanke mahnt zu friedlichen Spielen Noch deutlicher wird Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig: „So eine Aussage halte ich für sehr lax und oberflächlich dahingesagt.“ Mark Kirchner, Chef der Männer, meint eher resigniert: „Nachdem der IOC-Präsident weder einen Plan B noch Bauchschmerzen hat, nehmen wir das so mit.“

Ähnlich sieht es Ski-Ass Felix Neureuther. Er zieht wegen der Sicherheitslage einen Startverzicht in Betracht und kritisiert das IOC und den DOSB für deren öffentliche Zurückhaltung deutlich. „Wahnsinn! Du musst doch einmal Stellung beziehen!“, sagte Deutschlands bester Skirennfahrer am Freitag im Zillertal in Richtung der Sportverbände. „Ich werde jetzt Vater, und dann soll ich da rüberfahren mit einem ruhigen Gewissen und mich hinstellen und sagen: Super, jetzt bin ich bei Olympia und will alles geben“, sagt der 33-Jährige.

Mit ihrer Zimmerkollegin Maren Hammerschmidt hat sich Laura Dahlmeier Dokumentationen über Nordkorea angeschaut. Die Inhalte: höchst unterschiedlich. Hier schöne Landschaftsaufnahmen, dort vom Hungertod bedrohte Kinder. Ihr Fazit: „Ganz so Friede, Freude, Eierkuchen ist es dann doch nicht.“ Übermäßig Bammel spürt Maren Hammerschmidt noch nicht. Sie konzentriert sich auf die sportlichen Aspekte, denkt sich „Olympia sollte funktionieren. In dieser naiven Welt lebe ich einfach.“ Ihre generelle Kritik lautet: „Olympische Spiele sollten an sicheren Wintersport-Orten stattfinden. Das ist dieses Mal leider nicht der Fall, dennoch kann es funktionieren.“ Ein Verzicht kommt für Hammerschmidt nicht in Frage. „Darüber spricht man nicht, weil Olympia alle vier Jahre ist. Und in der Position befindet sich doch keiner, dass er sagt, dann probiere ich es in vier Jahren nochmal.“

Der Olympia-Zweite von Sotschi, Erik Lesser, sagt: „Wenn ich mich als Sportler jeden Tag hinsetze und überlege, ist es sicher oder nicht, komme ich in eine Sackgasse rein.“ Sein Lösungsansatz: Konzentration auf Form und Fitness. Wenn die Athleten nämlich im Februar vor Ort sind, blenden sie die Problemfelder ohnehin aus, um im Kopf frei für ihre Aufgabe zu sein. „Dann mache ich mein Handwerk“, sagt Arnd Peiffer, „denn Sport ist Handwerk.“ Daher richtet Gerald Hönig den Fokus zurzeit auf die täglichen Aufgaben — mit dem Ziel, die Athleten optimal auf die Saison vorzubereiten — „ohne das Andere auszublenden, denn das kann niemand, wenn Drohungen ausgesprochen werden, zu militärischer Gewalt zu greifen.“ Kritisch wird es für den Thüringer, wenn es wirklich „zu einer Krisensituation käme und man mit Entscheidungen von Personen umgehen muss, die sagen, ich fahre oder ich fahre nicht. Das kann ja auch passieren, dass es stattfindet, obwohl sich die Krisensituation verschärft.“ Das hofft keiner. Alle setzen auf eine Lösung des Konflikts. Denise Hermann drückt es so aus: „Ich appelliere einfach an die Vernunft aller, dass sie den Olympischen Gedanken in ihre nächtlichen Träumen aufnehmen und es friedlich bleibt.“