Polyball statt Zelluloidkugel: „Klingt etwas komisch“

Schwechat (dpa) - Im Tischtennis steht das Ende einer Ära bevor. Der Zelluloidball hat ausgedient. Der Weltverband ITTF möchte ihn bereits zum 1. Juli 2014 durch einen Plastikball ersetzen. Die EM in Schwechat wäre dann die letzte, auf der mit der 40-Millimeter-Kugel aus Zelluloid gespielt wird.

Das Material ist leicht entflammbar und die Herstellung soll gesundheitsschädlich sein. Deshalb will es die ITTF aus dem Verkehr ziehen und mit einem neuen Ball auch neue Einnahmequellen erschließen.

Die Eigenschaften des sogenannten Polyballs sind auf breiter Basis kaum erforscht. Nur wenige Exemplare der hauptsächlich in China produzierten Bälle sind bisher im Umlauf. „Ich habe den Polyball ein bisschen getestet. Der Ballabsprung ist höher, er hat weniger Spin“, erklärte der Olympia-Dritte Dimitrij Ovtcharov. „Der Ton klingt etwas komisch. Meine Spielerinnen haben sich aber nur kurze Zeit damit beschäftigt. Die Männer interessieren sich mehr für dieses Thema“, sagte Damen-Bundestrainerin Jie Schöpp.

Einige Tüftler wie der Materialexperte Herbert Neubauer bestätigen die Eindrücke. „Plastikbälle können mit und ohne Naht hergestellt werden. Dann eiern sie noch mehr. Der Verschleiß ist schneller, ich rechne mit höheren Preisen“, erklärte der mehrfache Seniorenweltmeister. Neubauers Firma ist nicht Mitglied der internationalen Vereinigung der Tischtennis-Ausrüster (FIT), die sehnsüchtig auf grünes Licht für den massenhaften Vertrieb der Bälle erwartet.

„Es muss zunächst das patenrechtliche Problem geklärt werden. Derzeit traut sich keiner, die Bälle auf den Markt zu bringen“, berichtete Manager Achim Krämer von der Firma Joola über eine brisante Angelegenheit. Die Patentrechte für den Plastikball soll eine Frau halten, deren Mann früher Mitglied der Materialkommission der ITTF und zudem verantwortlich für die Ballentwicklung war. „Es gibt die Überlegung, dass FIT das Patent kaufen will“, sagte Krämer.

Die Ausrüster wollen in zwei Wochen am Rande des Weltcups in Belgien mit den zwei weltgrößten Ballherstellern aus China (Doublefish, Doublehappiness) über das Problem sprechen. Die FIT-Unternehmen benötigen eine längere Vorlaufzeit, um die neuen Spielgeräte flächendeckend einzuführen. Ein finanzielles Desaster wie beim 40-Millimeter-Ball, der 2001 den 38-Millimeter-Ball abgelöst hatte, möchten sie nicht noch einmal erleben.

„Damals wollten alle Vereine fast auf einem Schlag die größeren Bälle haben. Wir hatten zigtausende der alten Bälle auf Lager, die wir für zwei oder drei Cent verscherbeln mussten“, sagte Wilfried Micke von der Firma Schöler+Micke. Das Ende des Zelluloidballs hält er aber grundsätzlich für richtig und überfällig. „Das ist ein Gefahrengut, das mit Container-Schiffen transportiert werden muss“, erklärte der frühere Düsseldorfer Bundesligaspieler.