Armstrong klagt über „Todesstrafe“ und zeigt Emotionen

Austin (dpa) - Am Ende seiner Dopingbeichte wurde der gefallene Radstar Lance Armstrong ganz weich.

Armstrong, der jahrelang leistungssteigernde Mittel genommen, Teamkollegen und Mitarbeiter bedroht, schikaniert und sogar verklagt hatte, kämpfte mit den Tränen, als er im zweiten Teil seines TV-Interviews mit Star-Moderatorin Oprah Winfrey erzählte, wie er seinen 13-jährigen Sohn Luke mit der Doping-Wahrheit konfrontierte. Der bis dahin kühl und kalkuliert antwortende Texaner schluchzte und rang um Fassung, als Winfrey davon sprach, dass sein ältester Sohn ihn öffentlich verteidigt und die Doping-Anschuldigungen als Lügen bezeichnet hatte. „Da wusste ich, dass ich mit ihm reden muss“, sagte Armstrong.

Er brauchte fast eine Minute, um sich zu sammeln und seine Tränen zu unterdrücken. „Ich habe ihm gesagt, dass er mich nicht mehr schützen soll.“ Dass das älteste seiner fünf Kinder ihm jahrelang vertraut habe, „macht es umso schwerer für mich“, räumte Armstrong ein.

Der frühere Rad-Dominator zeigte auf der medialen Anklagebank plötzlich menschliche Züge - was die Radsport-Welt mehr als ein Jahrzehnt lang auf den Landstraßen Frankreichs vermisst hatte. Doch das Unrechtsbewusstsein scheint bei Armstrong nicht allzu sehr ausgeprägt zu sein. Die lebenslange Sperre empfindet der Texaner trotz seiner ganzen Betrügereien gar als „Death Penalty“. Er verdiene es, bestraft zu werden, aber er sei sich nicht sicher, ob er die „Todesstrafe“ verdiene, meinte Armstrong. „Was haben andere Sportler bekommen?“, fragte er und sprach andere geständige Dopingsünder an, deren Strafmaß reduziert worden war. „Ich erhalte die Todesstrafe, und sie bekommen sechs Monate. Ich sage nicht, dass es unfair ist, aber es ist anders.“

Einen Tag nach seinem Dopinggeständnis redete er zudem über seinen Rücktritt als Vorsitzender seiner Krebsstiftung, den Verlust von Sponsoren und seine ehemalige Ehefrau Kristin, die reichlich von all seinen Verstößen und Lügen mitbekommen hatte. Ihr hätte er versprochen, dass er sein Comeback 2009 unter einer Voraussetzung wage: nicht mehr zu dopen. „Ich hätte sie in dieser Angelegenheit nie betrogen“, so Armstrong. Bereits im ersten Teil des Interviews hatte er angegeben, lediglich bis 2005 illegale Substanzen genommen zu haben.

Die Aussagen stehen jedoch im Widerspruch zu den Ausführungen von Travis Tygart, dem Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA. Dieser hatte den Multi-Millionär bereits vergangenen Sommer in einem Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass Proben von ihm aus den Jahren 2009 und 2010 vorliegen, die auf Doping hinweisen. Tygart hatte kürzlich in der Sendung „60 Minutes Sports“ betont, dass ein Vertreter Armstrongs seiner Agentur eine Spende von 250 000 Dollar angeboten habe. Armstrong verneinte dies jedoch vehement. „Das stimmt nicht“, entgegnete er mehrfach scharf und wirkte dabei wie einst bei seinen zahlreichen Klagedrohungen.

Kalkül wegen möglicher weiterer Schadensersatzforderungen oder tatsächlich die Wahrheit? Immerhin Ex-Toursieger Andy Schleck schenkt Armstrong diesbezüglich Glauben. „Ich glaube ihm, dass er bei seinem Comeback sauber war. Ich war sauber, und er ist von Alberto Contador und mir besiegt worden. Warum sollte er sonst hinter mir gelandet sein?“, sagte Andy Schleck vor der Tour Down Under in Australien.

Dass sich Armstrong im Herbst von seiner Krebsstiftung zurückzog, sei für ihn der „erniedrigendste Moment“ seines Dopingskandals gewesen. Sein Rücktritt, so Armstrong, sei das Beste für die Stiftung gewesen. „Aber es hat sehr wehgetan. Sie war wie mein sechstes Kind.“ Nachdem er seinen Hodenkrebs besiegt hatte, baute Armstrong 1997 in seiner Heimatstadt „Livestrong“ auf. Die gemeinnützige Organisation hat seitdem mehr als 500 Millionen Dollar an Spendengeldern gesammelt. „Ich hoffe, dass sie ohne mich überleben kann“, meinte Armstrong.

Er hofft, „irgendwann wieder an Wettkämpfen teilzunehmen“, denn er sei nun einmal ein Wettkampftyp. Erstmals machte der gebeutelte Star Angaben über seine finanziellen Verluste. „Ich mag gar nicht daran denken, aber das war ein 75-Millionen Dollar-Tag“, meinte er in Anlehnung an den 10. Oktober 2012, als die USADA die Ergebnisse ihres Untersuchungsbericht veröffentlichte. Zahlreiche Sponsoren, allen voran Nike, hatten daraufhin die Zusammenarbeit mit Armstrong beendet. Zudem entgehen ihm künftig Einnahmen als Motivationsredner. In der Vergangenheit hatte er bisweilen sechsstellige Summen pro Auftritt kassiert.

Er hoffe, so Armstrong am Ende des Interviews, dass er künftig nicht wieder ausrutschen und vom rechten Weg abkommen werde: „Dies ist die größte Herausforderung für den Rest meines Lebens.“