Nachdem das Adrenalin in seinem Körper abgeklungen war, spürte Tadej Pogacar allmählich die Schmerzen. Die Freude über seinen beeindruckenden Coup beim Schotterrennen Strade Bianche überwog aber trotzdem. „Es ist nicht die schönste Art zu gewinnen. Aber es ist nur Fleisch“, sagte der Weltmeister lapidar und nahm die tiefen Schürfwunden und Prellungen für seinen 92. Karrieresieg gerne in Kauf.
Bei seinem kaum zu stillenden Hunger nach großen Erfolgen lässt sich Pogacar offenbar durch nichts aufhalten. Auch nicht durch einen heftigen Sturz bei Tempo 60, als der Slowene 50 Kilometer vor dem Ziel nach einem Fahrfehler in einer Linkskurve hart auf den Asphalt knallte, sich überschlug und in einem Brombeer-Gestrüpp im Straßengraben landete. „Es war ein Moment der Panik. Ich habe an alles gedacht, ob ich aufstehen kann, ob mein Rad in Ordnung ist. Ich hatte Glück, dass nichts gebrochen ist. Es hätte schlimm ausgehen können“, berichtete der Radstar.
Dritter Sieg nach 2022 und 2024
Am Ende lief es dann aber so wie fast immer, wenn Pogacar an den Start geht. Nach einer scharfen Attacke 18,5 Kilometer vor dem Ziel ließ der 26-Jährige seinen britischen Widersacher Tom Pidcock am Colle Pinzuto quasi stehen und triumphierte nach 213 Kilometern - davon 81,7 über die weißen Schotterpisten der Toskana - schließlich im Alleingang auf der Piazza del Campo in Siena. So wie 2022 und 2024, womit er den Rekord des Schweizers Fabian Cancellara egalisierte.
Der Sturz sollte für Pogacar allerdings auch eine Warnung sein. Bereits vor zwei Jahren hatte er sich mit einem folgenschweren Sturz beim Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich um eine gute Form für die Tour de France gebracht, wo er sich am Ende dem Dänen Jonas Vingegaard geschlagen geben musste. Womöglich ist ein erstmaliger Start bei der Kopfsteinpflaster-Tortur Paris-Roubaix in wenigen Wochen nicht die beste Idee.
Nächstes Ziel Mailand-Sanremo
Nach dem Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo will Pogacar entscheiden, ob er auch in der Hölle des Nordens gegen Ex-Weltmeister Mathieu van der Poel (Niederlande) antreten wird. Eine Trainingsfahrt im berüchtigten Wald von Arenberg hat er jüngst bereits absolviert. Nur zu gern würde Pogacar das Monument in Nordfrankreich gewinnen. Es ist neben Mailand-Sanremo der Klassiker, der ihm in seiner beeindruckenden Erfolgsbilanz noch fehlt.
Nachdem Pogacar im vergangenen Jahr das seltene Double aus Giro d'Italia und Tour gemeistert hatte, will er 2025 im Frühjahr vor allem bei den harten und hektischen Eintagesrennen Siege einfahren. Sein Rivale Vingegaard wählt dagegen den entspannteren Formaufbau für die Tour mit kleineren Rundfahrten wie Paris-Nizza.
Sich aber nur auf ein großes Highlight zu konzentrieren, ist nicht Pogacars Sache, der im vergangenen Jahr famose 25 Siege holte. Längst bewegt er sich auf den Spuren eines Eddy Merckx. Ein übermenschlicher Fahrer? „Wenn er mal tot ist, wird man ihn aufschneiden müssen und schauen“, meinte Pidcock scherzhaft. Er sei vermutlich in seiner besten Form gewesen und trotzdem habe es nicht gereicht, um dranzubleiben, haderte der Mountainbike-Olympiasieger, der 2023 bei der Strade Bianche gewann.
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