Cookson nach chaotischer Wahl neuer UCI-Chef
Florenz (dpa) - Pat McQuaid gratulierte seinem verhassten Nachfolger mit versteinerter Miene. Sein Herausforderer Brian Cookson hatte den umstrittenen Amtsinhaber in einer chaotischen Präsidiumswahl im Rennen um den Chefsessel im Internationalen Radsportverband UCI mit 24:18 Stimmen geschlagen.
Jetzt will der Brite eine neue Ära einläuten. „Eine der ersten Anrufe gilt Herrn Bach“, kündigte Cookson schnellen Kontakt zum neuen IOC-Präsidenten an.
„Hallelujah“, twitterte Lance Armstrong, den McQuaid nach jahrelanger enger Verbundenheit nach dessen Doping-Geständnis an den Pranger gestellt hatte. Cookson will versuchen, den lebenslang gesperrten Ex-Profi in die Aufklärung der „Doping-Vergangenheit“ einzubinden. Das treffe auch auf den gestürzten McQuaid zu, dem Korruption in Verbindung mit den Dopingfällen Armstrong und Alberto Contador vorgeworfen wird. „Ich stehe für den Wandel“, erklärte der neue UCI-Chef.
Der UCI-Wahlkongress war im ehrwürdigen Palazzo Vecchio von Florenz zuvor von stundenlangen Diskussionen und juristischen Winkelzügen geprägt gewesen, bevor die 42 Wahlmänner als Vertreter aller Landesverbände in die Wahlkabinen durften. „Ich danke für das Vertrauen und wünsche Pat alles Gute - was immer er jetzt auch machen wird“, sagte Cookson nach seiner Wahl, die im Plenum mit Jubel quittiert wurde. „Es hat lange gedauert und war ein wenig schwierig“, sagte Cookson mit britischem Understatement.
Dem in Verruf geratenen Dachverband steht unter dem Briten Cookson im Optimalfall ein grundlegender Wandel bevor. Allgemein wurde die Wahl des 62-Jährigen als Aufbruch in bessere Zeiten nach acht Jahren unter McQuaid und zuvor 14 Jahren unter dem nicht minder umstrittenen Hein Verbruggen bewertet.
„Eine solche Sitzung habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt. Wir hatten heute erst erfahren, dass McQuaid Anwälte aufbieten wird, die die Rechtmäßigkeit seiner Nominierung darlegen sollten“, erklärte Toni Kirsch. Der Bundesjugendwart aus Bergheim war Wahlmann des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) und folgte der Vorgabe des Europäischen Verbandes, für Cookson zu stimmen. „Seine Wahlkampagne war ehrlich“, meinte Kirsch.
Viele trauen Cookson echten Reformwillen zu. Er will das Anti-Doping-Management aus dem Verband ausgliedern und einem unabhängigen Gremium übergeben sowie „Vertrauen und Glaubwürdigkeit“ der schwer angeschlagenen Branche wieder herstellen. Aber auch der Herausforderer mit dem weißen Fünftagebart war im Vorfeld der Wahl ins Gerede gekommen.
Er wird unterstützt vom russischen Öl-Milliardär Igor Makarow, der dem russischen Verband vorsteht und Finanzier der umstrittenen Katusha-Mannschaft ist. McQuaid hatte behauptet, Makarow habe den europäischen Verband UEC „geschmiert“, um ihn auf Cookson-Linie zu bringen. Der neue UCI-Chef wies das von sich.
McQuaid galt als das Spiegelbild des Radsports in der öffentlichen Wahrnehmung. Korruption, Intransparenz und Verstrickung in Dopingfälle waren dem 64 Jahre alten Iren vorgeworfen worden. Eigentlich hätte er gar nicht zur Wahl antreten dürfen, weil er den Paragrafen 51.1 nicht erfüllte, wonach eine Nominierung des Heimatverbandes vorliegen muss. Die Iren hatten ihm die Gefolgschaft aber versagt.
Aber McQuaid ließ von seinen Advokaten noch einen letzten Trumpf aus dem Hut zaubern. Kurzfristig wurden Nominierungen aus der Schweiz, Marokko und Thailand anerkannt. Cookson hatte die endlos scheinende Diskussion darüber beendet und entnervt zur Wahl aufgerufen - mit positivem Ausgang für ihn. „Ich glaube, die Diskussion war auch ein Grund für das deutliche Ergebnis“, meinte Kirsch.
Nach dem Votum für den Briten will BDR-Präsident Rudolf Scharping, der lange an der Amtsführung McQuaids nichts auszusetzen hatte, vom Newcomer Taten sehen. „Wir hoffen, dass er sein angekündigtes Programm umsetzen wird, das Dopingproblem mit unabhängigen Instanzen lösen wird - so wie das der BDR seit 2011 tut - dass er den Radsport in seiner Vielfalt weltweit stärkt und, dass er keine weitere Kommerzialisierung zulasten der nationalen Verbände betreibt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Brian Cookson“, erklärte der ehemalige Verteidigungsminister.