„Dachs“ Hinault wird 60 - Hoffnung auf den Nachfolger

Berlin (dpa) - Jedes Jahr im Sommer macht Bernard Hinault seine Landsleute etwas wehmütig. Als vorerst letzter Franzose gewann er die Tour de France. Das war 1985. Die Wartezeit auf seinen Nachfolger könnte sich noch ausdehnen, auch wenn in diesem Jahr etwas Zuversicht aufkeimte.

„Ich hoffe, ich erlebe es noch“, hatte Hinault zuletzt bei einem kleinen öffentlichen Rad-Ausflug vor dem Tourstart in Yorkshire erklärt. Am Freitag feiert der „Ritter der Ehrenlegion“ seinen 60. Geburtstag.

Hinault ist nach Eddy Merckx der Radprofi mit den meisten und wichtigsten Siegen. Nach Merckx, Jacques Anquetil und vor Miguel Indurain gewann er die Tour fünfmal und sammelte dabei 28 Etappensiege. Er gewann dreimal den Giro d'Italia, zweimal die Spanien-Rundfahrt und fast alle Klassiker. Mit Paris-Roubaix 1981 auch den, den er hasste. Ein Jahr zuvor wurde er auf einem der selektivsten WM-Kurse aller Zeiten in Sallanches in den französischen Alpen Straßen-Weltmeister.

Bekannt ist über den sturen Bretonen, der seine Erfolge oft mit der „Brechstange“, mit purer Kraft einfuhr: Hinault wurde niemals positiv kontrolliert. 1982 schloss er sich Fahrer-Protesten gegen Doping-Kontrollen an. Der von den Fans wegen seiner Zähigkeit „Le Blaireau“ (der Dachs) genannte Hinault beendete seine sagenhafte Profi-Karriere 1986 nach nur zwölf Jahren.

1984 stand Hinault, der derzeit bei der Tour bei jeder Siegerehrung dabei ist, auch für eine Zeitenwende im Radsport. Dank des Finanzjongleurs Bernard Tapie, der den Radsport für sich entdeckte, kassierte er als erster eine Millionengage. Er dankte es dem neuen Geldgeber im Folgejahr mit seinem fünften Toursieg. Der hing allerdings am seidenen Faden.

Tapie leitete die Globalisierung des Radsports ein und holte den US-Profi Greg LeMond an die Seite Hinaults. Im Mondrian-Trikot des Teams „La Vie Claire“ schnappte sich Hinault gleich das Gelbe Trikot. Auf der 14. Etappe stürzte er jedoch, erlitt einen Nasenbeinbruch und war grün und blau im Gesicht. Die Pyrenäen bereiteten ihm Schwierigkeiten, besonders als LeMond am Tourmalet attackierte.

Der Schweizer Teamchef Paul Köchli pfiff den ungestümem Amerikaner zurück - Hinault durfte die Pyrenäen in Gelb verlassen und sich auf einen Nicht-Angriffs-Pakt stützen, in den LeMond zähneknirschend einwilligen musste. Der Franzose erreichte Paris in Gelb und konnte sich mit 30 Jahren in die Ahnengalerie neben Merckx und Anquetil stellen. Er versprach, im nächsten Jahr alles zu tun, damit LeMond die Tour als erster Amerikaner gewinnt.

Ihm fiel in seinem letzten Profijahr aber schwer, Wort zu halten. Die Verlockung, die Frankreich-Rundfahrt erster Mensch sechsmal zu gewinnen, war zunächst zu groß. Hinualt fuhr in Gelb und mit großem Vorsprung auf den langsam beunruhigten LeMond in die Pyrenäen. Mit einem Parforceritt auf den Peyresoude wollte er im Alleingang alles klarmachen. Köchli warnte, aber der Mann im Maillot Jaune schlug die Ratschläge in den Wind. Und erlitt einen fürchterlichen Einbruch. Er wurde von einem Verfolgerfeld mit LeMond überholt und rettete nur noch wenig von seinem einst riesigen Vorsprung ins Ziel.

In den Alpen übernahm LeMond das Gelbe Trikot von seinem Kapitän, der auf der Abfahrt vom Galibier noch ein letztes Mal attackierte. Medienwirksam fuhren beide in L'Alpe d'Huez Arm in Arm über die Ziellinie - Hinault als Etappensieger, LeMond im Gelben Trikot. Dieses Bild der verordneten Harmonie, der besonderen französisch-amerikanischen Freundschaft ging in die Annalen der Tour ein. Es markierte den Aufstieg des blonden US-Profis, der Paris als erster - und nach der späteren Demission Lance Armstrongs - als weiterhin einziger Amerikaner in Gelb erreichte.

LeMond wechselte 1987 das Team und wurde 1989 und 1990 noch zwei weitere Mal Toursieger - nach einem Jagdunfall mit Schrotkugeln im Leib. In dieser Zeit fing Hinault an, in der Nähe seines Geburtsortes auf einem Bauernhof Rinder zu züchten. Das tut er noch heute.