Degenkolb: „Hoffe auf neue Radsport-Leidenschaft“
Roubaix (dpa) - Bevor sich John Degenkolb nach seinem grandiosen Auftritt in der „Hölle des Nordens“ in eine gut zweiwöchige Pause verabschiedete, hatte er noch eine Botschaft parat.
„Ich hoffe, dass es der Start einer neuen Radsport-Leidenschaft in Deutschland ist. Ich möchte die Leute inspirieren und hoffe, dass diese große Rennen auch bald wieder in Deutschland übertragen werden“, sagte der gebürtige Thüringer, nachdem er als Zweiter nur knapp am ersten deutschen Sieg beim berüchtigten Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix seit 118 Jahren vorbeigefahren war.
Degenkolb, 25 Jahre jung, bei vielen Experten der zukünftige Mann für die schweren Eintagesrennen der Welt, steht für die neue Generation des Radsports in Deutschland. Eine Generation, die auf eine neue Chance hofft und fleißig daran arbeitet, den großen Scherbenhaufen, den die einstigen Helden wie Jan Ullrich oder Erik Zabel mit ihrer dunklen Vergangenheit im Doping-Zeitalter hinterließen, abzutragen.
Radsport soll sich wieder lohnen in Deutschland nach all den Enttäuschungen im vergangenen Jahrzehnt. Dafür nimmt Degenkolb eine strikte Haltung im Anti-Doping-Kampf ein. Wie auch der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin oder Marcel Kittel, der bei der vergangenen Tour de France zu vier Etappensiegen gesprintet war. Es sind die Neuen, die aufräumen wollen mit der Vergangenheit.
Der Weg ist zweifelsohne noch weit. Wer die Gala-Vorstellung Degenkolbs beim wohl härtesten Radrennen der Welt über die ruckeligen Pavés aus den Zeiten Napoleons sehen wollte, musste schon beim Spartensender Eurosport einschalten. Der Radsport-Bann bei den öffentlichen TV-Sender ist noch nicht aufgehoben, obwohl die letzten Jahre längst gezeigt haben, dass nicht nur im Radsport flächendeckend gedopt wurde.
Auch für Brian Cookson, den neuen Präsidenten des Radsport-Weltverbandes UCI, ist die Zeit reif für eine neue Chance seiner Sportart in Deutschland. „Es gibt Anzeichen einer Wiederbelebung von Teams und Rennen in Deutschland. Sie haben einen guten Verband, starke Fahrer bei den Männern und Frauen auf der Straße, und auch auf der Bahn gibt es massives Potenzial. Ich glaube, dass es sich für Deutschland wieder lohnt, im Radsport involviert zu sein“, sagte Cookson jüngst der Nachrichtenagentur dpa.
Die Leistungen von Degenkolb und Co. gehören jedenfalls zur absoluten Weltspitze. Der WM-Vierte von 2012 fuhr erstmals seit Steffen Wesemann vor zwölf Jahren wieder auf den zweiten Platz von „La Roubaix“. Noch musste der Klassikerspezialist mitansehen, wie der Niederländer Niki Terpstra den begehrten Pflasterstein als Siegerpokal in Empfang nahm. Doch bald will Degenkolb als zweiter Deutscher nach dem Münchner Josef Fischer, der die erste Auflage im Jahre 1896 gewann, ganz oben stehen. „Ich bin noch jung. Die Zukunft gehört mir, ich werde älter und erfahrener“, sagte er.
Es war der Schlusspunkt einer aus deutscher Sicht überragenden Woche. So fuhr Martin bei der hochkarätig besetzten Baskenland-Rundfahrt zu zwei Etappensiegen und Kittel gewann erst am vergangenen Mittwoch den prestigeträchtigen Scheldeprijs. Einzig bei den großen Rundfahrten ist ein Fahrer für vordere Platzierungen noch nicht in Sicht.
Für Degenkolb ist die Klassikersaison im Frühjahr damit beendet. Mit Platz zwei in Roubaix und dem Sieg bei Gent-Wevelgem hat er für Glanzlichter gesorgt. Weiter geht es für ihn am 1. Mai mit dem Rennen „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“ in seiner Wahlheimat weiter. Ein Rennen, dass er bereits 2011 gewann. Und ein Gradmesser, wie der neue Aufschwung in Deutschland angenommen wird.