England rüstet sich für Radsport-Party
Leeds (dpa) - Wayne Rooney und Co. sind nach ihrem WM-Debakel längst im Urlaub. Und das Tennis-Highlight in Wimbledon neigt sich langsam seinem Ende entgegen. Für Ersatz indes sorgt Englands neue Trendsportart: Radfahren.
Zwei Jahre nach dem Hype um Bradley Wiggins, Chris Hoy und Co. bei den Olympischen Spielen in London steigt mit dem Start der 101. Tour de France in Leeds die nächste Radsport-Party auf der Insel. „Das wird gigantisch“, prophezeit Deutschlands Sprintkönig Marcel Kittel, der im Vorjahr sensationell vier Tour-Etappen gewonnen hatte.
Es soll ein „Grand Départ“ der Superlative werden, wie die Organisatoren versprechen. An der Strecke auf den drei englischen Etappen wird mit mehreren Millionen Zuschauern gerechnet. Wie 2012 in London, als bei den olympischen Rennen Ausnahmezustand herrschte. „Die Zuschauer standen in Fünfzehner-Reihen am Straßenrand. Du konntest während des gesamten Rennens nicht pinkeln“, erinnert sich Marcus Burghardt, der im Trikot des Schweizer BMC-Teams zum siebten Mal bei der Frankreich-Rundfahrt startet.
Der Radsport-Boom, der Vergleichen mit der Situation in Deutschland zu Jan Ullrichs besten Zeiten locker standhält, kommt nicht von ungefähr. Seit einigen Jahren hat England die traditionellen Radsport-Nationen ein- und überholt. 2012 gewann Wiggins als erster Brite die Tour de France und vergoldete anschließend seinen Triumph mit dem Olympiasieg im Zeitfahren. Sein Landsmann Christopher Froome folgte ihm im Vorjahr auf dem Tour-Thron und wird wieder als großer Favorit ins Rennen gehen. Dazu stellt England in „King“ Mark Cavendish den weltbesten Sprinter der vergangenen sechs Jahre.
Dabei ist der Hauptdarsteller von 2012 diesmal nicht dabei. Für Wiggins war kein Platz mehr im Sky-Team, das ganz auf Froome setzt. Der aktuelle Tour-Champion, dessen Verhältnis zu seinem Vorgänger nicht das beste ist, hat eine Mannschaft ganz nach seinem Gusto durchgesetzt. Wiggins, der eine Helferrolle angeboten hatte, zeigte sich „bitter enttäuscht“, äußerte aber auch Verständnis. So werden die englischen Fans die selbstklebenden Wiggins-Koteletten, die 2012 noch der Renner waren, zu Hause lassen. Aber der Volksheld von einst trägt inzwischen ohnehin Vollbart und hat sich mit einer Rückkehr auf die Bahn bei den Commonwealth Games längst andere Ziele gesetzt.
Der Radsport-Party ist Wiggins' Fehlen aber kaum abträglich. Die Ortschaften entlang der Strecke sind bereits seit Tagen prächtig geschmückt. Um dem großen Ansturm gerecht zu werden, wurden zahlreiche Public-Viewing-Bühnen errichtet. Im November hatte der Gemeinderat in Harrogate, wo die erste Etappe enden wird, die Bevölkerung um 2300 handgestrickte Mini-Trikots gebeten. Am Ende wurden es 23 453 Exemplare. Sogar die Prinzen William und Harry sowie Herzogin Kate haben sich zum Tour-Start angesagt.
Und die Royals würden zum Auftakt liebend gern einem ihrer Landsleute das erste Gelbe Trikot überreichen. Erster Anwärter ist dabei der ehemalige Weltmeister Cavendish, der beim doppelten Heimspiel - seine Mutter wurde in Harrogate geboren - das nachholen will, was er 2012 im Straßenrennen bei Olympia verpasst hatte. Spätestens am dritten Tag, auf der Zielgeraden vor dem Buckingham Palace in London, will Cavendish aber jubeln.
Bereits 2007 war die Tour in England, damals sogar in der Hauptstadt, gestartet worden, was laut Altmeister Jens Voigt „ein Riesenerlebnis“ war. Die Organisatoren haben mit ihrer England-Wahl offensichtlich Weitblick bewiesen. Denn die Fußball-WM wird die Engländer nicht daran hindern, an die Strecke zu gehen.