Fall Schumacher: Gedopt, gelogen, aber nicht betrogen
Stuttgart (dpa) - Bei seiner letzten Tour de France 2008 setzte Stefan Schumacher den treuen Dackelblick auf - und log. Doping? Niemals! Lügen hatten schnelle Beine - manche schienen ihm aber auch zu glauben.
Das war alles ein falsches Spiel, der Radprofi aus Nürtingen hat Doping inzwischen gestanden, und sein früherer Teamchef Hans-Michael Holczer ist vom Landgericht Stuttgart in gewisser Weise in Mithaftung genommen worden.
Der Freispruch für den 32-jährigen Radprofi bedeutet im Umkehrschluss: Auch nach Auffassung des Gerichts wusste Holczer Bescheid über Lug und Trug im Team des Mineralwasser-Herstellers Gerolsteiner. Der lange Zeit als Mann mit der weißen Weste geltende Lehrer streitet eine Mitwisserschaft aber weiter kategorisch ab. Das gilt auch für die früheren Teamärzte, die jetzt in einem schlechten Licht stehen.
Schumacher, Arztsohn aus Schwaben, waren schon früh Doping-Vorwürfe gemacht worden. 2005 war er bei der Rundfahrt in Rheinland Pfalz mit dem stimulierenden Wirkstoff Cathin aufgefallen - der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) sprach ihn frei. 2007, bei der Straßen-WM in Stuttgart, wurde er Dritter, obwohl er wegen eines erhöhten Hämatokritwertes hätte gar nicht am Start stehen dürfen. BDR und Weltverband hatten keinen Grund zum Einschreiten gesehen.
Unmittelbar nach den Titelkämpfen in der Heimat wurden nach einem von Schumacher verursachten Autounfall Spuren von Amphetaminen in seinem Blut gefunden. Sportrechtliche Konsequenzen ergaben sich nicht, da der Wirkstoff außerhalb des Wettkampfs nicht als Doping gewertet wurde. Das Cleverle mit dem Glatzkopf galt weiter offiziell als unbescholten.
Im Februar 2009 wurde es dann ernst für den starken Zeitfahrer und Klassiker-Spezialisten. Die französische Anti-Doping-Agentur AFDL sperrte ihn wegen eines positiven Tests auf das Blutdopingmittel CERA bei der Tour 2008 für zwei Jahre. Im April 2009 teilte der BDR mit, dass auch eine Nachkontrolle bei den Olympischen Spielen in Peking einen positiven CERA-Nachweis erbracht hatte. Schumacher versuchte lange, sich sportjuristisch zu wehren. Das kostete viel Geld und brachte im Endeffekt nichts für ihn.
In einem Interview mit dem „Spiegel“ im März 2013 hatte er erstmals die Einnahme von EPO, Wachstumshormonen und Kortikosteroiden zugegeben. Bereits mit Anfang 20 habe er mit leistungssteigernden Substanzen begonnen. Im Team Gerolsteiner sei Holczer von der Doping-Praktik seines erfolgreichsten Profis dann „bestens im Bilde“ gewesen.
Damit war die Taktik seiner Verteidiger im folgenden Prozess in Stuttgart klar. Schumacher sorgte für einen Präzedenzfall, weil sich noch nie ein deutscher Radprofi in Zusammenhang mit Doping vor einem Strafgericht verantworten musste. Ohne den Prozess hätte es die Beichte wahrscheinlich nie gegeben, obwohl der Profi gestand, ihm sei ein großer Stein vom Herzen gefallen.
Nach Ablauf seiner Sperre fand Schumacher ausschließlich Beschäftigung in unterklassigen Teams. Sein Vertrag beim Team Christina Watches Onfone läuft Ende des Jahres aus. Ein Aufstieg für den Gebrandmarkten, dem man seine Reue nicht so recht abnehmen mag, scheint wenig wahrscheinlich. „Noch einmal die Tour“, dürfte ein unerfüllter Wunschtraum bleiben.