Giro-Aus für Wiggins: Fragezeichen vor Tour
Busseto (dpa) - Vom erhofften Triumphmarsch beim 96. Giro d'Italia war bei Bradley Wiggins schon nach den ersten drei Rundfahrt-Tagen nichts mehr zu sehen. In der Geburtsstadt des Aida-Komponisten Giuseppe Verdi ging der Olympiasieger und Tour de France-Sieger nicht mehr an den Start.
Das Rad mit der Rahmennummer 181 wurde am Freitag in Busseto-Roncole Verdi gar nicht mehr ausgeladen. An erster Position stand neben dem Bus des britischen Erfolgsteams Sky die Rennmaschine mit Nummer 188 des Kolumbianers Rigoberto Uran. Doch die Trauer über Wiggins' Abschied hielt sich in Grenzen.
„Es hatte sich schon seit Tagen angedeutet. Bradley hat eine Infektion. Er hat dennoch versucht, weiterzufahren. Aber jetzt haben die Ärzte entschieden, dass es nicht mehr geht“, erklärte Sky-Teamchef Dave Brailsford der Nachrichtenagentur dpa den Ausstieg. Der Brite versuchte dabei die Enttäuschung möglichst gering zu halten: „Natürlich ist es niemals gut, einen Fahrer von seinem Kaliber heimzuschicken. Aber wir sind weiter gut in der Gesamtwertung platziert. Und wir haben ein starkes Team für die Berge.“
Neuer Kapitän ist Uran. Der derzeit Drittplatzierte gilt als starker Kletterer. Er beendete den Giro 2012 fast auf sich allein gestellt auf dem siebten Platz. „Ich will versuchen, den Giro zu gewinnen. Es kommen noch einige Bergetappen, bei denen ich mir etwas ausrechne“, sagte Uran. Er versprach anzugreifen: „Die Teamtaktik von Sky wird sich definitiv ändern.“ Allerdings scheint Spitzenreiter und Lokalmatador Vincenzo Nibali fest im Sattel zu sitzen - sein erster Giro-Sieg ist vielleicht nur noch Formsache.
Für die Helfer im Team Sky bedeutet die geänderte Rollenverteilung aber nicht unbedingt eine große Umstellung. „Wir fahren weiter für unseren Kapitän“, sagte Christian Knees. Der Bonner äußerte Verständnis für den Abschied von Wiggins. „Es sind zwar viele Fahrer im Peloton erkältet. Wir sind bei 35 Grad gestartet und dann in Kälte und Regen gekommen. Aber während die meisten es mal einen Tag lang ruhiger angehen lassen konnten, musste Bradley immer voll drauf gehen. So eine Erkältung kann schnell aufs Herz gehen. Es ist gut, dass ihn die Ärzte herausgenommen haben. Wir haben alle Familie und Kinder“, sagte er der dpa.
Für Wiggins war die Rundfahrt ein wahrer Leidensweg. Beim gewonnenen Team-Zeitfahren verpasste er das Rosa Trikot, weil der zeitgleiche Teamgefährte Salvatore Puccio besser in der Gesamtwertung platziert war. Auf den Folgeetappen verlor er erst durch Unaufmerksamkeit, dann durch Ängste bei der Abfahrt und schließlich aus reiner Schwäche wertvolle Zeit. Nicht einmal das Einzelzeitfahren in Saltara konnte der Spezialist gewinnen. „Im Rückblick hat er da sicherlich schon an der Erkältung gelitten“, meinte Brailsford.
Die interessanteste Frage nach möglichen Auswirkungen für Wiggins' Tour-Planungen wollte Brailsford allerdings nicht beantworten. „Bradley fährt erst einmal nach Hause und kuriert sich dort. Dann besprechen wir das weitere Saisonprogramm“, sagte er. Vor dem Giro-Start hatte der Macher der imposanten britischen Radsport-Erfolge auf Straße und Bahn ein Machtwort gesprochen und Wiggins an sein Versprechen erinnert. Sky-Kapitän bei der am 29. Juni beginnenden 100. Tour de France soll der Vorjahres-Zweite Christopher Froome sein. Ob und wie sich Sir Wiggins fügen wird, dürfte in den nächsten Wochen noch hochspannend werden.