Holczer sieht Zeugenaussage im Prozess als Chance

Stuttgart (dpa) - Für Hans-Michael Holczer ist es die zweite Chance. Viereinhalb Monate nach seiner ersten Zeugenaussage im Betrugsprozess gegen Stefan Schumacher hat das Landgericht Stuttgart den ehemaligen Teamchef des Radprofis für Mittwoch erneut geladen.

„Es macht sicherlich keinen Spaß, da würde ich lügen“, sagte Holczer der Nachrichtenagentur dpa. „Aber das ist auch eine Möglichkeit, manche Dinge, die mir da zugetragen wurden, aus meiner Sicht zu beantworten und aus meiner Sicht mit dem ein oder anderen Dokument zu belegen.“

Fragen an den ehemaligen Gerolsteiner-Teamchef gibt es genug. Etwa was es mit einem Metallkoffer auf sich hatte, den der Logistikleiter des Radteams nachträglich nach Frankreich zur Tour de France gefahren hat. Oder wie versteckt Doping in einer Mannschaft gewesen sein kann, in der sechs Fahrer der einstigen Vorzeigetruppe positiv getestet wurden oder Manipulation gestanden haben - die meisten auch beides. Holczer wirkt fest entschlossen, auf alles zu antworten. Langweilig wird es am 16. Verhandlungstag wohl nicht.

Auch wenn der inzwischen für den russischen Rennstall Katusha als Berater arbeitende Lehrer bislang nur an den drei Tagen seiner Zeugenaussage im April vor dem vorsitzenden Richter Martin Friedrich saß - der 59-Jährige war den gesamten Prozess über allgegenwärtig. Denn nachdem Schumacher in Interviews sein Doping-Geständnis abgelegt hatte, war die am meistgestellte Frage nicht etwa: Hat Schumacher gedopt? Sondern: Was davon wusste Holczer?

„Das sind elf Prozesstage, in denen permanent über mich gesprochen wurde, obwohl ich nur ein Zeuge bin“, sagte Holczer. Die Verteidigungsstrategie der Schumacher-Anwälte Michael Lehner und Dieter Rössner ging in diesem Punkt voll auf.

Auch das Gericht versuchte fortan herauszufinden, was die Mitglieder des inzwischen aufgelösten Radrennstalls vom Doping Schumachers wussten - und damit womöglich auch Holczer. Aus den Zeugenaussagen Vermutungen von Wissen zu trennen, selbst gezogene Schlüsse der Fahrer, Ärzte und Betreuer von den Fakten zu unterscheiden, das ist keine leichte Aufgabe für die drei Richter und zwei Schöffen der 16. Großen Strafkammer in Stuttgart.

Viele, mitunter zentrale Fragen blieben auch unbeantwortet, weil die Zeugen aus Selbstschutz die Auskunft verweigerten oder behaupteten, sich nicht mehr erinnern zu können. Schließlich steht beispielsweise für die ehemaligen Teamärzte auch die eigene Glaubwürdigkeit und Karriere auf dem Spiel.

Folgt man Schumachers Verteidigung, ist die Sache inzwischen ohnehin klar. Ein Betrug, wie er Schumacher vorgeworfen wird, liegt nicht vor, betonen Lehner und Rössner immer wieder. Bei der Tour de France 2008 hatte ihr Mandant in einem Gespräch Doping abgestritten, war von Holczer weiter bezahlt, aber danach positiv getestet und gesperrt worden. Holczer bestreitet, von Doping in seiner Mannschaft und speziell bei Schumacher gewusst zu haben.