Nach Armstrong: Wird jetzt alles anders?

Berlin (dpa) - Wird jetzt alles besser, hat der Radsport noch eine Chance, dient der Fall Lance Armstrong einer Katharsis? Die Experten zweifeln. Nicht nur der Anti-Doping-Fachmann Fritz Sörgel hat wenig Hoffnung und zeichnet ein düsteres Bild für die Zeit nach der erwarteten Armstrong-Beichte.

„Die nächste Generation wird wieder einen Schritt nach vorne tun - der Super-Lance ist sozusagen die Konsequenz“, sagte Sörgel der Nachrichtenagentur dpa. Der Festina-Skandal 1998 hätte es gezeigt - die Devise der Protagonisten hieß: „In der Zukunft muss man es anders machen. Die Antwort war Armstrong und sein Liefer- und Verteilungsservice mit patenhaftem Verhalten.“

Die Fehler liegen im System. Der Radsport wird durch den Weltverband UCI „wie eine Bananenrepublik“ verwaltet, monierte bei der vergangenen WM der Luxemburger Radsport-Präsident Jean Regenwetter. UCI-Chef Pat McQuaid und seinem Vorgänger Hein Verbruggen werden Korruption und Begünstigung vorgeworfen. Mal sehen, wie weit Armstrong bei seinen in US-Medien angekündigten Aussagen gegen die Funktionäre geht. Die selbst zweifelhaften Entscheidungsträger im Weltradsport lassen bisher Vertreter der „alten Schule“ wie die Teamchefs Bjarne Riis, Johan Bruyneel, Jim Ochowicz, Alexander Winokurow oder Patrick Lefevere unbehelligt. Eher weiter wie bisher als alles neu.

Dass der Radsport beim Thema Doping Schritte in die richtige Richtung getan hätte, besonders nach der Offenlegung des Dopingsystems Armstrong - dem widerspricht nicht nur Benedetto Roberti. Der Richter im Fall des wegen seiner Doping-Verwicklungen angeklagten Mediziners und Armstrong-Präparators Michele Ferrari hatte in dem italienischen Magazin „Tuttobici“ mit den Worten alarmiert: „Nichts hat sich geändert. Es ist nicht wahr, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren gebessert hat. Ich habe Dinge gesehen, die kann man sich nicht vorstellen.“

Skepsis allenthalben auch bei Ex-Profi und Armstrong-Kritiker Paul Kimmage, der den umstrittenen McQuaid angezeigt hat. Der Ire meldete Zweifel am bemerkenswerten Tour-de-France-Sieg des zukünftigen „Sir“ Bradley Wiggins an, der eindeutig der Nach-Armstrong-Ära zuzurechnen ist. „Ich kenne niemanden, der sagen könnte, dass dies ein völlig überzeugender Toursieg ist“, hatte Kimmage in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt und Vergleiche des Formaufbaus und der Rennstrategie zwischen dem ersten britischen Toursieger und dem wegen Dopings auf Lebenszeit gesperrten Armstrong gezogen.

Die hoffnungsvollen deutschen Profis Tony Martin, André Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb haben sich mittlerweile öffentlich unmissverständlich gegen Armstrong und seine Machenschaften positioniert. Kittel kündigte sogar an, dass er seinen Unmut über den Doping-Rückkehrer Alberto Contador bei gemeinsamen Starts deutlich machen werde. Aber Sörgel bleibt skeptisch, ob gleich von einem Mentalitätswechsel auszugehen sei. „Ob Herr Kittel gleich vom Saulus zum Paulus geworden ist, wollen wir mal abwarten“, meinte der Wissenschaftler mit Verweis auf mehrere Besuche des Sprinters in der Erfurter „Quacksalberabteilung“ (Sörgel) des Mediziners Andreas Franke.