Oleg Tinkow: „Ziemlich spezieller“ Provokateur

La Pra Loup (dpa) - Zurückhaltung und Distanz sind für Oleg Tinkow Fremdworte. Der milliardenschwere Oligarch aus Sibirien ist zuständig für große Worte, steile Thesen und Provokationen.

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Am zweiten Ruhetag der 102. Tour de France nahm sich der 47-Jährige im Hotel seines Tinkoff-Saxo-Teams Tour-Chef Christian Prudhomme vor, der ihn „garstig“ behandelt habe.

Er wolle „keinen Krieg“, beruhigte Tinkow die Anwesenden. „Aber am ganzen Ökonomie-System Tour muss sich etwas ändern, sonst sind die Sponsoren Andy Rihs von BMC, Igor Makarow von Katusha und ich bald nicht mehr dabei. Lasst uns eine Radsport-Revolution machen“, sagte der Teammanager, der am Ruhetag wie alle bei Tinkoff-Saxo ein gelbes T-Shirt trug mit der aufmunternden Aufschrift für den erfolgreich an Hodenkrebs operierten Ivan Basso: „Forza Ivan“.

Sponsoren, „die wie ich 20 Millionen im Jahr aus eigener Tasche geben“, müssten von den allmächtigen Chefs der Tour besser behandelt werden, findet Tinkow. Das Geld müsste anders verteilt werden. „Die spielen französisches Monopoly“, meinte der Exzentriker, der sich gleich auch die Quartierzuteilung durch den Tour-Organisator ASO vornahm.

„Ich bin gestern bei 37 Grad drei Stunden Rad gefahren, die Tourfahrer sechs. Als ich in mein Zimmer kam, waren es dort 35 Grad. Ich konnte nicht schlafen. Wie geht es da erst den Profis? Das sind haltlose Zustände“. Tinkow versuchte am Dienstag mit seinem rund 80 Personen umfassenden Staff das nur bedingt komfortable Hotel an der Schnellstraße von Gap zu wechseln - ohne Chance.

Vor Beginn der Tour hatte er sich mit seinem hinter Alberto Contador zweitteuersten Angestellten angelegt. Er wollte die Bezüge des Slowaken Peter Sagan - geschätzte vier Millionen Euro pro Saison bis 2017 - wegen nicht adäquater Leistung kürzen.

Rechtlich besteht keine Chance dazu und Sagan, der bei der 102. Tour durch seine Angriffslust, Tollkühnheit und sein Entertainment-Talent überzeugt, ließ nur wissen: „Ich brauche keinen Druck von sonst wem, den mache ich mir schon selber, weil ich immer der Beste sein will.“

Vor zwei Jahren hatte Tinkow, der sich früher auf den Arbeitsfeldern Fertiggerichte, Online-Banking, Flugindustrie und Brauereiwesen abarbeitete, während der Tour Contador wegen mangelnder Ergebnisse am Wickel. Via Twitter ließ er damals alle Welt wissen, was er über seinen Top-Angestellten dachte. Ansonsten ließ er es sich mit Champagner und weiteren Annehmlichkeiten gut gehen. Die passenden Fotos dazu hatte er 2013 gleich mitgeliefert.

Inzwischen sind beide wohl wieder einigermaßen auf einer Wellenlänge. Bei Contadors Giro-Sieg im Mai ließ sich Tinkow die Haare pink färben und stärkte dem Spanier den Rücken für den Wahnsinnsplan, Giro und Tour in einer Saison - wie zuletzt Marco Pantani 1998 - zu gewinnen. Wohl ohne Erfolg: Giro-Gewinner Contador ist bei der Tour auf besten Wege zu scheitern.

Auf eine lauthals verkündete Antrittsprämie von einer Million Euro, verteilt auf die Topfahrer Chris Froome, Contador, Nairo Quintana und Vincenzo Nibali wollte sich keiner der Vier einlassen. Sie hätten 2015 die Italien-Rundfahrt, die Tour und im September die Vuelta fahren müssen.

Kronzeuge Jörg Jaksche war nach Ablauf seiner Dopingsperre 2007 auch kurz Arbeitnehmer unter dem radsportverrückten Tinkow, der im Frühjahr seinen Teammanager Bjarne Riis gefeuert hatte. „Der ist schon ziemlich speziell - auch in der Auslegung der Anti-Doping-Regeln“, sagte der Ansbacher Ex-Profi über Tinkow, der am Dienstag bei der Team-Pressekonferenz in Gap neben Contador und Sagan vor Wut zu platzen schien, weil er 20 Minuten nicht zu Wort kam.