„Operación Puerto“: Dopingarzt Fuentes freigesprochen

Madrid (dpa) - Gut zehn Jahre nach der Aufdeckung des größten Dopingskandals in der spanischen Sportgeschichte ist das Gerichtsverfahren um die „Operación Puerto“ mit Freisprüchen zu Ende gegangen.

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Ein Berufungsgericht in Madrid hob die Haftstrafen für den Dopingarzt Eufemiano Fuentes und den früheren Radsporttrainer José Ignacio Labarta auf. Die Richter ordneten an, dass die mehr als 200 Blutbeutel, die die Polizei im Mai 2006 bei Fuentes beschlagnahmt hatte, an die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und andere sportliche Institutionen ausgehändigt werden müssen.

Damit könnte nachträglich ermittelt werden, welche Radprofis und andere Sportler die Dienste des Fuentes-Labors in Anspruch genommen hatten. Schon vor mehreren Jahren war bekannt geworden, dass Radprofis wie Jan Ullrich, Ivan Basso, Tyler Hamilton, Alejandro Valverde oder Jörg Jaksche in den Skandal verwickelt waren. Alle diese Profis hatten Sperren erhalten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist kein Einspruch möglich. Der Mediziner Fuentes war in erster Instanz im April 2013 als Hauptangeklagter zu einem Jahr Haft und einem vierjährigen Berufsverbot verurteilt worden. Er hatte Dutzenden Sportlern beim Doping mit Eigenblut geholfen. Labarta erhielt wegen Beihilfe vier Monate Haft. Die übrigen drei Angeklagten - die Medizinerin und Fuentes-Schwester Yolanda Fuentes, die Ex-Radteamchefs Manolo Saiz und Vicente Belda - wurden bereits damals freigesprochen. Das Gericht in erster Instanz hatte eine Herausgabe der Blutbeutel verweigert.

Die Berufungsrichter begründeten die Freisprüche für Fuentes und Labarta damit, dass Doping bei Aufdeckung des Skandals nach spanischem Recht nicht strafbar gewesen sei. Sie wiesen das Argument zurück, die Behandlung mit präpariertem Eigenblut habe eine Gefährdung der Gesundheit bedeutet.

Der Freispruch für Fuentes stieß in Spanien auf Verblüffung. Bereits das Urteil in der ersten Instanz war von Experten als „zu milde“ eingestuft worden. Es bestärkte in der Sportwelt das Image Spaniens, den Kampf gegen Doping nicht besonders ernst zu nehmen. „Die Operación Puerto war einen Horror für den spanischen Sport“, sagte kürzlich der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Alejandro Blanco. „Wir hatten zehn Jahre damit zu kämpfen gehabt. Man hat das Gefühl, das wird noch 20 Jahre weitergehen.“

Die jetzt verfügte Herausgabe der über 200 Blutbeutel an die WADA, an den spanischen und internationalen Radsportverband und das italienische NOK dürfte vor allem eine symbolische Bedeutung haben. Einige Radprofis, die mit dem Skandal in Verbindung standen, wurden bereits bestraft, andere haben ihre Karriere längst aufgegeben.

Der deutsche Sportrechtler Michael Lehner glaubt nicht an rechtliche Konsequenzen. „Unabhängig von Verjährungsfragen stelle ich mir Ermittlungen schwierig vor“, sagte Lehner der Deutschen Presse-Agentur. „Es dürfte wohl kaum noch eine Verbands-Strafgewalt bestehen, weil die wenigsten damals enttarnten Profis noch eine Lizenz halten.“

Drei prominente noch aktive Profis, die damals in die Affäre verwickelt gewesen sein sollen, sind die Spanier Valverde und Alberto Contador und der Italiener Michele Scarponi. Valverde war vom italienischen NOK 2009 verurteilt und ein Jahr später auch nach einem Urteil des Sport-Schiedsgerichts CAS weltweit gesperrt worden. Sein Landsmann Contador war nicht im Zusammenhang mit der Fuentes-Affäre sondern 2010 wegen eines positiven Doping-Befundes bei der Tour de France gesperrt worden.

Der einzige deutsche Toursieger Jan Ullrich war 2008 von der Bonner Staatsanwaltschaft der illegalen Kooperation mit Fuentes überführt worden. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit sah der CAS 2012 Ullrichs Schuld als erwiesen an und verurteilte ihn zu einer Sperre. Der dritte Platz bei der Tour 2005 und sein Sieg bei der Tour de Suisse 2006 waren ihm aberkannt worden. Ullrich gestand lediglich eine „Zusammenarbeit“ mit dem umstrittenen Mediziner.

Fuentes hatte während seiner Vernehmung im Prozess der ersten Instanz ausgesagt, dass er neben Radsportlern auch Fußballer, Tennisspieler und Boxer behandelte. Er bot die Herausgabe der Liste seiner Kunden an. Aber die zuständige Richterin wollte davon nichts wissen. Sie ordnete damals an, die Blutbeutel zu vernichten. Dies geschah aber nicht, weil das Urteil der ersten Instanz nicht rechtskräftig war. Die Namen der mutmaßlichen Fuentes-Kunden sind weiterhin unbekannt. Ausnahme: 54 Radprofis waren schon 2006 identifiziert.