„Poupou“ wird 75 - Verehrung trotz Rad-Pechsträhne
Berlin (dpa) - Auch mit 75 wird er noch bevorzugt „Poupou“ genannt. Der französische Radprofi Raymond Poulidor genießt in seinem Heimatland eine Art Heldenstatus, der die Koseform trotz hohen Alters weiter rechtfertigt.
Niederlagen schmecken im Sport wohl nirgends so süß wie in Frankreich.
Am 15. April feiert er seinen 75. Geburtstag - der „ewige Zweite“: Das war in den 60er und 70er Jahren die Marke des Bauernburschen aus dem Limousin, der immer so schön dramatisch verlor. Vielleicht hat auch deshalb der Name Jan Ullrich im Nachbarland immer noch einen so guten Klang. Dessen zweite Plätze bei der Tour de France hinter Bjarne Riis, Marco Pantani und vor allem Lance Armstrong sind dort mehr im Gedächtnis der Fans geblieben als sein Triumph 1997.
Im Schatten der Tour-Dauersieger Jacques Anquetil und Eddy Merckx wurde Poulidor fast genauso groß wie sie. Drei zweite und fünf dritte Plätze bei der Tour zwischen 1962 und 1976: Das war „Poupous“ Erfolgsbilanz beim wichtigsten Rennen der Welt - und die Franzosen verehren ihn noch heute dafür. 1974 war er „Sportler des Jahres“, 1972 Ritter der Ehrenlegion. 1965 schien der Weg bei der Tour für ihn nach dem Rücktritt Anquetils frei zu sein: Doch wie aus dem Nichts kam der Italiener Felice Gimondi und machte Poulidor wieder zum Vize.
Nicht wenigstens einen Tag durfte er das Maillot Jaune tragen. Ein Pariser Kaufhaus (Wahlspruch: „Wir erfüllen alle Wünsche“) machte aus der bedauernswerten Pechsträhne 1976 einen launigen Werbesport, in dem Poulidor im gerade erstandenen Gelben Trikot stolz durch die Metropole radelt. Heutzutage ist ihm bei der Tour Gelb sicher. Der nette Herr mit dem schlohweißen Haar ist in jedem Juli im leuchtend gelben Oberhemd Repräsentant der französischen Bank Crédit Lyonnais, die das Spitzenreiter-Trikot sponsert.
Einem Toursieg am nächsten war Poulidor 1964. Sein legendäres Ellenbogenduell am Puy de Dome mit dem großen Favoriten Anquetil ist in die Tour-Geschichte eingegangen. Anquetil war im Gegensatz zu Poulidor am Ende seiner Kräfte, verbarg seine Erschöpfung am Berg aber geschickt und bluffte. Sein Konkurrent fiel darauf herein und wartete viel zu lange mit seinem Angriff. In Paris trennten Poulidor nur 55 Sekunden vom Gelben Trikot Anquetils.
Die erbitterte Konkurrenz auf dem Rad verhinderte nicht, dass sich beide Sportler privat nahe standen. Das belegt wohl auch die Anekdote, dass Anquetils kleine Tochter Sophie angeblich erst „Poupou“ und dann „Papa“ sagen konnte.
Neben vielen anderen Siegen bei kleineren Rundfahrten konnte Poulidor mit einem Erfolg bei der Vuelta a España 1964 wenigstens eine der drei großen Landesrundfahrten für sich entscheiden. Zu Beginn seiner Karriere 1961 hatte er außerdem den Klassiker Mailand-San Remo gewonnen. 1977 beendete Poulidor seine Laufbahn, nachdem er ein Jahr zuvor als 40-Jähriger noch einmal Tour-Dritter geworden war. „Er hat sich alles hart erarbeitet. Vom Talent her gab es sicher andere“, charakterisierte ihn sein damaliger Mitstreiter Rudi Altig.