Nach Tour-Coup „Prinz von Wales“: Thomas kann Zukunft bestimmen
Paris/Cardiff (dpa) - Der Radsport verneigt sich vor dem „Prince of Wales“, auf der Insel erstrahlen Schlösser in Gelb, und die Konkurrenz verzweifelt am Team Sky des Königs der Tour de France.
Nach dem Erfolg von Geraint Thomas in Frankreich ist die Zukunft des neuen britischen Sportstars zwar offen. „Keine Ahnung, momentan will ich einfach nur feiern“, kündigte der smarte Radprofi, dessen Vertrag bei Sky Ende des Jahres ausläuft, vor Beginn der großen Siegerparty am Sonntagabend in Paris an. Dass an der Mannschaft des ebenso akribischen wie gefürchteten Dave Brailsford auch in den nächsten Jahren kaum ein Vorbeikommen ist, damit ist zu rechnen.
Sky und die Tour - das ist wie Bayern München in der Bundesliga: Das Kapital bestimmt den Sieger. Mit mindestens 30 Millionen Euro ist das Budget das höchste im Peloton, seit 2012 stellte Sky bis auf eine Ausnahme stets den Tour-Sieger. 2014 triumphierte Vincenzo Nibali nur, weil Sky-Kapitän und Topfavorit Chris Froome nach einem Sturz aussteigen musste. „Sky kann sich hoch bezahlte Fahrer als Helfer leisten, die in anderen Teams Kapitäne wären und selbst die Tour gewinnen könnten“, lautete die Analyse durch Ex-Profi Rolf Aldag, Sportlicher Leiter beim chancenlosen Konkurrenten Dimension Data.
Fahrer wie Ex-Weltmeister und Mailand-Sanremo-Gewinner Michal Kwiatkowski aus Polen oder Lüttich-Bastoge-Lüttich-Sieger Wout Poels aus den Niederlanden waren bei der Tour ergebene Diener ihrer Herren. Auch der Bonner Christian Knees gehört zur Sky-Equipe. In Frankreich fehlte er, aber im Mai half er Froome beim ersten Giro-Sieg. Dazu stimmt der Team-Spirit. Froomes Glückwünsche an seinen alten Kumpel klangen ehrlich. „Unsere Stärke ist der Kopf“, sagte Thomas.
Und Sir Dave Brailsford, ließe sich hier ergänzen. Der Regisseur machte in den vergangenen Jahren nur einmal eine schlechte Figur, nämlich beim Krisenmanagement im Fall seines ersten Toursiegers Bradley Wiggins. Vor dem Parlaments-Ausschuss zur Untersuchung einer dubiosen Medikamenten-Lieferung an den ebenfalls von der Queen zum Ritter geschlagenen Ex-Profi verstrickte er sich in Widersprüche. Das Verfahren wegen möglicher Doping-Vergehen wurde dennoch eingestellt.
Brailsford überstand auch die Ermittlung wegen Doping-Verdachts gegen Froome nach einer Salbutamol-Auffälligkeit und zauberte bei der Tour das Supertalent Egan Bernal aus dem Hut. Der Kolumbianer, mit 21 Jahren jüngster Tour-Starter, bestimmte in den Bergen vor Thomas und Froome das Tempo, das der Konkurrenz die Luft zum Atmen nahm. „Das ist mein Mann der Zukunft“, sagte der Sky-Chef bereits.
Für die Kapitänsrolle 2019 ist Bernal aber noch zu unerfahren - und daher ist die Frage nach dem Sky-Leader spannend. Froome hat noch einen Vertrag, zeigte in den vergangenen drei Wochen aber Schwächen. Thomas ist sein logischer Nachfolger, könnte nach dem Triumph aber auch bei jeder anderen Mannschaft anheuern und sogar das Salär diktieren.
All diese Fragen waren nach 3351 langen und beschwerlichen Kilometern durch Frankreich für Thomas erst einmal nebensächlich. Er freute sich nach der Sause in Paris auf ein Wiedersehen mit der Familie in Wales.
Dort infizierte er ein ganzes Land mit dem Tour-Fieber. Am Sonntag fuhren in Cardiff Hunderte von Radlern zu Thomas' Ehren in gelben Trikots und T-Shirts durch die Straßen. Am Cardiff Castle wurden Banner aufgehängt und Flaggen gehisst, mit Einbruch der Dunkelheit leuchteten das Castle, das Rathaus und mehrere andere Schlösser in Wales feierlich in gold-gelbem Licht. Der Stadtrat verpasste dem roten Drachen im Wappen von Cardiff vorübergehend ein gelbes Trikot.
Der walisische Fußball-Nationalspieler und Real-Madrid-Star Gareth Bale, der dieselbe Schule wie Thomas besucht hatte, gratulierte auf Twitter. „Unglaubliche Leistung eines Schulkameraden der Whitchurch High“, schrieb Bale. „Was für ein Sieg!“ Premierministerin Theresa May schrieb bei Twitter: „Gratulation an Geraint Thomas zu seinem Erfolg bei der Tour de France. Ein großer Erfolg, auf den jeder im Vereinigten Königreich stolz sein kann.“
Auch die Presse war entzückt. Die walisische Zeitung „Western Mail“ titelte am Montag neben einem gelb gefärbten Logo „Magnifique!“. Chefredakteur Paul Rowland twitterte: „Wir wollten eigentlich das ganze Ding gelb machen. Aber wir hatten nicht genug gelbes Papier.“
Für die französischen Blätter „L'Équipe“ und „Le Parisien“ ist Thomas der „Prinz von Wales“. Die englische „Daily Mail“ meinte: „Das Sky-Team verdient seine Kritik, aber Geraint Thomas hat uns herausgefordert zu glauben, dass er der perfekte Reklameheld ist.“