Scharping trifft den Ton - Nicht nur über Doping sprechen

Gelsenkirchen (dpa) - Ein wohlgelaunter Rudolf Scharping rief dem Wahlvolk noch ein „Glück auf“ zu, bevor er als wiedergewählter Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer die mehr als fünfstündige Marathonsitzung beendete und seine Unterlagen im Aktenkoffer verschwinden ließ.

Vor der Bühne im Maritim Hotel in Gelsenkirchen wartete bereits die Menge der Schulterklopfer und Gratulanten. Zu der Zeit befand sich Scharpings Gegenspielerin Sylvia Schenk bereits auf dem Heimweg. Die Juristin und Vorgängerin von Scharping war zuvor mit ihrem strikten Anti-Doping-Kurs bei der Kampfabstimmung um die BDR-Präsidentschaft in aller Deutlichkeit (156:411) abgestraft worden.

Die Botschaft bei der Bundeshauptversammlung des BDR war eindeutig: Aufarbeitung hin oder her - die Vertreter der Landesverbände sind es leid, mit den Sünden der Vergangenheit konfrontiert zu werden. „Wir müssen uns mit Doping auseinandersetzen, aber auch nicht nur und vielleicht in Zukunft auch nicht in erster Linie“, sprach der Politprofi Scharping das aus, was die Delegierten hören wollten. Als wahlkampferprobter Redner wusste der frühere Verteidigungsminister, welchen Ton er treffen musste, um die Landesvertreter auf seine Seite zu ziehen.

Mal emotional („Bin kein Automat“), mal angriffslustig präsentierte sich Scharping bestens vorbereitet, nachdem es in den vergangenen Wochen und Monaten viel Kritik an seiner Amtsführung gegeben hatte. „Ich habe nicht dem BDR von außen zugerufen, der Radsport sei völlig verrottet. Wer solche Formulierungen in die Welt setzt und nun beklagt, dass nur über Doping gesprochen werde, der muss mit der Mäßigung seiner Stimme beginnen“, rief der im weißen Hemd und schwarzen Anzug erschienene Scharping vom Podium seiner Herausforderin Schenk zu. Die Frankfurterin registrierte dies - fast schon bezeichnenderweise in der letzten Reihe des Saales Maritim - und war sich schnell bewusst, dass sie bei ihrer Heimkehr zum BDR geduldet, aber keineswegs erwünscht war.

Fast schon bezeichnend war, als sich ein Vertreter des Berliner Verbandes empört an die BDR-Präsidentin von 2001 bis 2004 wandte und monierte, dass es auch noch andere Themen als Doping gebe. „Die Einschätzung ist nicht da, dass ein anderer Umgang mit der Thematik sehr viel besser helfen würde. Ob das dem Radsport weiterhilft, wird man sehen“, sagte Schenk, die ihre Sportart als Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International weiter kritisch konstruktiv begleiten wolle.

Doch das wollten die BDR-Delegierten in den eigenen vier Wänden nun wirklich nicht hören. Viel lieber vernahmen sie die positiven Wirtschaftszahlen, die Scharping vermeldete, auch wenn im nächsten Jahr aufgrund von Problemen des Hauptsponsors (Ja Solar) der Gürtel wieder enger geschnallt werden muss. „Der BDR war so gut wie pleite. Ich rechne mir einen gewissen Anteil zu, dass das abgewendet wurde“, betonte Scharping und berichtete, wie er an einer „Hotelbar in China“ die Finanzierung der Olympia-Mannschaft von Peking sicherstellte. 2012 wies der BDR einen Gewinn von 65 000 Euro aus. Scharping signalisierte, dass nur er in Sachen Wirtschaftlichkeit des Verbandes der Richtige für die Bewältigung der kommenden Herausforderungen sei.

Das kam jedenfalls an und so wurde Scharpings Mannschaft komplett durchgewunken. Am besten schnitt von der Opposition noch der zweimalige Bahnrad-Olympiasieger Robert Bartko bei der Wahl zum Vizepräsidenten Leistungssport ab. An diesem Nachmittag wäre es für Scharping aber vermutlich auch ein Leichtes gewesen, die deutschen Radmeisterschaften für die nächsten zehn Jahre an seine Heimat im Westerwald zu vergeben.